Süddeutsche Zeitung

Geflüchtete in München:Bayernkaserne wird doch später geräumt

In der Unterkunft leben mehr als 200 Menschen. Eigentlich hätten sie bald ausziehen sollen. Wohin, das war bis zuletzt unklar. Nun gibt es etwas mehr Zeit, um das zu klären.

Von Thomas Anlauf

Mehr als zweihundert Menschen, die in der dezentralen Unterkunft der ehemaligen Bayernkaserne leben, müssen nun doch nicht alle in den kommenden Wochen ausziehen. Überraschend haben sich am Mittwochnachmittag die Stadtspitze mit Bürgermeisterin Verena Dietl, Sozialreferentin Dorothee Schiwy und Kommunalreferentin Kristina Frank darauf geeinigt, dass die Gebäude zum Teil erst bis Ende Juni 2021 geräumt werden. Das sei "erfreulich", sagte Dietl am Donnerstag im Sozialausschuss. Denn zunächst habe es aus dem Kommunalreferat geheißen, eine Verlängerung der Unterbringung gehe nicht.

Offenbar hat Oberbürgermeister Dieter Reiter nun auf eine Einigung in dem Problem gedrungen, obwohl das Kommunalreferat schon vor knapp zwei Jahren signalisiert hatte, dass spätestens Ende 2020 mehrere Gebäude der ehemaligen Bayernkaserne an der Heidemannstraße geschlossen und wegen des dortigen Neubauviertels abgerissen werden.

Doch nun gibt es einen Aufschub für die Bewohner, nachdem auch das Sozialreferat angemahnt hatte, dass es "hilfreich gewesen" wäre, wenn "zumindest die Häuser 18 und 43 - wie auf Arbeitsebene in Aussicht gestellt - ein halbes Jahr länger" für Geflüchtete hätten genutzt werden können. Das war eine Spitze von Schiwy (SPD) gegen ihre Kollegin Frank (CSU) im Kommunalreferat. Diese wiederum erklärte am Donnerstag im Sozialausschuss, warum es nun doch eine Lösung in dem Problem gibt.

Ihr Haus habe sich in den vergangenen Tagen "sehr intensiv" mit dem Thema auseinandergesetzt und mit den Baufirmen und auch Kampfmittelräumern gesprochen, die das ehemalige Kasernengelände noch auf mögliche Sprengkörper untersuchen müssen. Mit einer Bauverzögerung der geplanten Fernwärmeleitung und Straßendämmung für das Wohngebiet entstünden zwar Zusatzkosten von etwa 150 000 Euro plus Ausgaben für die Hausverwaltung der Unterkünfte, doch damit gibt es einen Aufschub, um die derzeit 213 Menschen in der Bayernkaserne an anderen Orten unterzubringen.

Die Mitglieder des Sozialausschusses zeigten sich erleichtert von der Lösung in letzter Minute. Es sei "anerkennenswert", dass die Verwaltung nun alles getan habe, um diese angespannte Situation zu entschärfen", sagte Grünen-Stadtrat Bernd Schreyer, der auch Korreferent des Sozialreferats ist. Damit sei die Verwaltung "an ihre Grenze gegangen".

Auch Thomas Lechner (Linke), begrüßte die kurzfristige Entscheidung und lobte die "großartige Integrationsleistung der Stadt bis jetzt". Dennoch wünsche er sich eine "bessere Kommunikationsstrategie" der Verwaltung mit den Betroffenen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Müller sagte, mit dem Aufschub der Schließung seien die vergangenen Kommunikationsprobleme "egal, das ist hiermit geheilt". Dennoch müsse man nun schauen wo es gegebenenfalls neue Unterkünfte gebe, so Müller.

Auch die Sozialverbände begrüßten es, dass die Menschen nun in der Bayernkaserne länger bleiben können. "Ich glaube, dieses halbe Jahr hilft uns wirklich weiter", sagte Andrea Betz, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in München. Die Abteilungsleiterin der Inneren Mission, die auch die Bewohner in den Unterkünften betreut, sagte, nun sei genügend Zeit, die Umzüge der Menschen zu planen. Sozialreferentin Schiwy betont, dass die Betroffenen möglichst in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, schließlich gibt es auch viele schulpflichtige Kinder unter den Bewohnern.

Ein Teil der Bewohner soll nun vorzeitig in eine Unterkunft am Tollkirschenweg umziehen, spätestens im Sommer sollen auch mehr als zweihundert Plätze in der Max-Proebstl-Straße zur Verfügung stehen. "Wir schaffen es ja, auch ohne Panik und Hektik alle Menschen unterzubringen", sagt Wohnungsamtsleiter Gerhard Mayer. Doch das Wohnungssystem in München bleibe weiterhin angespannt.

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SZ vom 16.10.2020/syn
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