Kultur in München:Die Bayerische Staatsoper muss sparen

Lesezeit: 4 Min.

Steiniger Weg: Neue Formate wie das "Ja, Mai"-Festival, das als Kooperationsprojekt mit anderen Münchner Kulturinstitutionen gedacht ist, stemmt die Staatsoper finanziell alleine. (Foto: Johannes Simon)

Die Landeshauptstadt hat ihren Fünf-Millionen-Zuschuss gestrichen, Einnahmen sind weggebrochen. Auf das Spielzeitprogramm soll sich das vorerst nicht auswirken.

Von Jutta Czeguhn und Michael Zirnstein, München

"Menschliche Extremsituationen stehen im Zentrum der ersten Ausgabe von ,Ja, Mai' " - so kündigt die Bayerische Staatsoper ihr neues Festival an, das sich fortan immer im Frühjahr dem frühen und zeitgenössischen Musiktheater widmen wird. Die Erstausgabe in diesem hoffentlich pandemisch entspannten Mai wird also nicht gerade mit frühlingshafter Leichtigkeit daherkommen.

Auf dem Programm steht eine Opern-Trilogie von Georg Friedrich Haas und Händl Klaus, kombiniert mit Werken Claudio Monteverdis. Es soll um "zutiefst existenzielle Themen wie das Sterben, die Liebe, seelische Traumata und das Schweben zwischen Leben und Tod" gehen. Das klingt nach einer Schwere, die man in München ja gern mit einem "ja mei" weglakoniert, im Tenor achselzuckender Anteilnahme: "I woaß scho, wia des is, aba des werd scho wieda!" So in etwa mag man sich die Haltung der Stadtspitze vorstellen, als Staatsopernintendant Serge Dorny dort zu einem Bittgang vorstellig geworden sein soll.

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Denn schon 2020 hatte die Landeshauptstadt den seit drei Jahrzehnten üblichen Zuschuss von 4,9 Millionen Euro um die Hälfte gekürzt, 2021 wurde er ganz gestrichen. Auch 2022 wird er nicht ausbezahlt (und auch nicht die städtischen 500 000 an das Staatstheater am Gärtnerplatz), um die Sparvorgaben des Stadtkämmerers für den Kulturhaushalt erfüllen zu können.

"Unsere freie Szene zu retten, ist wichtiger, als den Haushalt von Söder zu retten", erklärte Kulturreferent Anton Biebl im Stadtrat. Im Gegenzug hat das Ministerium die städtische Förderung für die Münchner Philharmoniker (104 300 Euro) und die Kammerspiele (57 300 Euro) eingestellt. Eine "einvernehmliche" Aktion, sagt Kunstminister Bernd Sibler. Er setze sich sehr dafür ein, dass von 2023 die Wiederaufnahme der gegenseitigen Leistungen vereinbart werden kann. Auf der Gegenseite signalisiert auch Oberbürgermeister Dieter Reiter, eine Lösung finden zu wollen - wenn es die Haushaltssituation zulasse.

Planungssicher ist also gar nichts. Entsteht so eine "Extremsituation" für das staatliche Opernhaus? "Der Mittelausfall macht Planungen natürlich nicht einfacher, zur Disposition steht aber zum jetzigen Zeitpunkt nichts", teilt Staatsopernsprecher Michael Wuerges mit. Keine Rede von atmosphärischen Störungen zwischen Oper und Rathaus nach der Zuschuss-Streichung: "Das Verhältnis zur städtischen Politik ist gut, von Offenheit und dem Willen neue Wege zu beschreiten geprägt. Mit der Münchner Stadtspitze tauschte sich Herr Dorny über die Wichtigkeit der Stadt für die Oper und umgekehrt aus. Aber auch darüber, wie die Bayerische Staatsoper zukünftig enger mit den städtischen Institutionen zusammenarbeiten wird."

Ein Projekt sei das "Ja, Mai-Festival", das stets im Verbund mit benachbarten Kunst- und Kulturinstitutionen organisiert werden soll, etwa mit den Kammerspielen, dem Volkstheater oder dem Münchener Kammerorchester. "Ein Wunsch an die städtische Politik wäre, diese neuen Wege nicht nur ideell, sondern auch finanziell zu unterstützen, um stadt- und institutionsübergreifende Projekte zu ermöglichen", erklärt Wuerges. Bislang stemme die Staatsoper das Festival finanziell alleine.

Was die nun fehlenden knapp fünf Millionen Euro im Etat der Staatsoper angeht, versucht das Haus laut Wuerges diesen Ausfall "kurzfristig aufzufangen". In Pandemiezeiten stünden der Staatsoper die Hilfsfonds zur Verfügung, auf die auch alle anderen staatlichen Kulturinstitutionen zurückgreifen können. So gleiche der Freistaat den entfallenen Zuschuss der Landeshauptstadt aus. Welche langfristigen Auswirkungen der städtische Sparbeschluss aber auf das Haus haben werde, sei noch nicht abzusehen.

Ökonomisch hat das Haus zwei extreme Jahre hinter sich. Wuerges listet auf: "Die Einnahmen haben sich von 2019 auf 2020 verringert, nämlich um 25 Millionen Euro, der Betriebskostenzuschuss des Freistaats hat sich erhöht, von 71,8 auf 87,6 Millionen Euro." Schlecht sah es in der vom ersten Lockdown stark gebeutelten Saison mit dem Einspielergebnis aus. Und das an einem Haus, dass stets auf nahezu Vollauslastung im Parkett und auf den Rängen bauen konnte. Hier sank der Anteil an den Einnahmen von 36,6 auf 16,2 Prozent, da halfen auch die gut angenommenen Live-Streams hinter einer Pay-Wall nichts.

"Das Ergebnis des Jahresabschlusses 2021 wird nicht besser sein als 2020", sagt der Opernsprecher voraus. Der Freistaat müsse, nachdem der städtische Geldhahn zugedreht ist, nun die 4,9 Millionen Euro mehr ausgleichen.

Höhere Kartenpreise sind nicht geplant

Wie sieht die Situation 2022 aus? Die Zuschauer-Auslastung wird Schritt für Schritt wieder hochgefahren. Im Haushaltsplan für 2022 geht die Bayerische Staatsregierung für die Staatsoper von folgenden Plandaten aus: Gesamteinnahmen 29,6 Millionen Euro, Gesamtausgaben 117,5 Millionen, notwendiger Betriebskostenzuschuss 87,9 Millionen. Auch 2022, so Wuerges, werde die Staatsoper, aufgrund der Auswirkungen der Pandemie, nicht annähernd so viel wie gewohnt einnehmen.

Wie aber kann Geld generiert werden - durch Erhöhung der Eintrittspreise wie bei den Münchner Philharmonikern oder den Kammerspielen? Hier kommt ein deutliches Nein: "Wir planen nicht, ein neues Ticket-Preismodell einzuführen, geschweige denn die Ticketpreise zu erhöhen." (Auch am Gärtnerplatztheater sieht man übrigens dazu keinen Spielraum). Während der Pandemie sei es allerdings gelungen, mit dem U-30-Programm einem jüngeren Publikum Oper näher zu bringen. Man habe knapp 10 000 U-30-Karten in dieser Spielzeit verkauft, 60 pro Vorstellung bei teilweise nur 525 Plätzen.

Die besondere Magnetwirkung der Bayerischen Staatsoper beim Publikum machte in den vergangenen Jahren der Ära Bachler auch das Star-System aus. Bei Publikumslieblingen wie Jonas Kaufmann fällt eine Hinwendung nach Salzburg beziehungsweise zur Wiener Staatsoper auf . Im Haus am Ring hat Kaufmann jetzt auch den Peter Grimes gesungen, der in München bald ebenfalls - in anderer Besetzung - premiert. Und in der nächsten Spielzeit, so wird gemunkelt, stehe Kaufmann mit Asmik Grigorian in einer "Turandot" auf der Wiener Bühne.

Gerät die Bayerische Staatsoper hier ins Hintertreffen, schlägt sie unter Dorny bewusst neue Wege ein, weg vom kostspieligen Sänger-Kult? "Diesen Eindruck kann ich so nicht bestätigen", sagt Michael Wuerges. "Placido Domingo, Jonas Kaufmann, Anja Harteros, Christian Gerhaher, Diana Damrau, Wolfgang Koch und andere sind sowohl in dieser Spielzeit als auch in den folgenden Spielzeiten in neuen Produktionen und im Repertoire der Bayerischen Staatsoper zu erleben."

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