München:Baustopp gefordert

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Wachstumsskeptiker schließen sich zu Bürgerbündnis zusammen

Von Thomas Kronewiter, München

"Gigantische Bauprojekte", ein längst überhitzter Immobilienmarkt, eine rasant nach oben zeigende Bevölkerungsentwicklung und zugleich das Bestreben, möglichst klimaneutral zu agieren - für ein übergreifendes Bürgerbündnis München-Nord passt das nicht zusammen. In einem am Mittwoch bekannt gewordenen offenen Brief an den Münchner Stadtrat und die Stadtspitze haben nun sechs Gruppierungen ihre Sorgen einmal mehr sehr deutlich artikuliert: "Die derzeitige Planung hat unseres Erachtens jedes Augenmaß verloren und wird die Sogwirkung Münchens sogar noch weiter verstärken", heißt es in dem Schreiben des Eigenheimervereins Feldmoching, des Bürgervereins Lerchenau, von "Heimatboden", des Bündnisses Gartenstadt München, des Vereins Fasanerie aktiv und der Aktionsgemeinschaft "Rettet den Münchner Norden".

Kernforderung der Gruppe ist ein Moratorium, also ein vorübergehender Stopp, für alle derzeit geplanten Bauvorhaben und deren komplette Neubewertung. "Wir hier im Münchner Norden wissen, wovon wir reden, denn die Bauvorhaben Herberg-/Hochmuttinger Straße, Ratold-/Raheinstraße, Eggarten, Lerchenauer Feld, Siedlung Ludwigsfeld sind nur einige Beispiele für Großprojekte in unserem Stadtbezirk; zahlreiche Nachverdichtungen kommen noch hinzu." In anderen Teilen der Stadt gebe es ähnliche Entwicklungen. Mit dem Wiederaufleben der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nord solle zudem ein rund 900 Hektar großes, derzeit vorwiegend landwirtschaftlich genutztes Gebiet zu einem "riesigen neuen Stadtviertel entwickelt werden".

Die Mitglieder des Bündnisses München-Nord sehen vor allem Nachteile auf die ansässige Bevölkerung zukommen und fürchten eine Zunahme von sozialen Spannungen. Sie wehren sich deshalb seit vielen Monaten vehement dagegen, dass "immer noch mehr Arbeitsplätze und Neubürger" in München angesiedelt würden. Das widerspreche auch allen selbst gesteckten Klimazielen. Dafür brauche es eher unversiegelte Grün- und Erholungsflächen, ein Umlenken der ohnehin nur begrenzt vorhandenen finanziellen Ressourcen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Reduzierung von Treibhausgasen statt ihrer Forcierung durch die fortgesetzte Bautätigkeit. Gleiches gelte für den Ressourcenverbrauch, etwa von Kies, der zuletzt stark in die Kritik geraten sei.

Gerade angesichts der Corona-Pandemie hegen die Aktivisten "erhebliche und begründete Zweifel", dass etwa die prognostizierte Bevölkerungszunahme im erwarteten Maß eintreten werde und Trends wie der zum Home Office wieder verschwänden. Das Bündnis fordert alle Entscheidungsträger auf, sich die Zeit zum Nachdenken und für eine Neubewertung der Stadtplanung zu nehmen. Unter dem Stichwort einer "nachhaltigen Stadtentwicklung" fordern sie die 80 Stadträte wie die drei Bürgermeister auf, mit den Akteuren des Bündnisses in eine Debatte einzutreten.

© SZ vom 12.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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