Riesen-Baustelle im Münchner WestenKaum zu glauben, dass hier schon bald die ersten Trams rollen sollen

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Seit einem Jahr ist die Fürstenrieder Straße eine einzige Baustelle.
Seit einem Jahr ist die Fürstenrieder Straße eine einzige Baustelle. (Foto: Stephan Rumpf)

Vor einem Jahr wurde der Spatenstich für die Westtangente gesetzt. Seitdem geht es wild zu auf der Fürstenrieder Straße. Herrscht dort Chaos oder Methode?

Von Andreas Schubert

Chaos ist ein großes Wort: Es steht für das komplette Durcheinander, für Verwirrung, einen schwer vorhersehbaren Zustand. Und wer derzeit die Fürstenrieder Straße entlangfährt, dem drängt sich das meist unberechtigt gebrauchte C-Wort berechtigterweise auf: Sich immer wieder verschwenkende Spuren, Absperrungen an den Straßenrändern, aufgerissene Fahrbahnen, improvisierte Bushaltestellen, unter anderem vor einer Tankstelle. In der Rushhour stauen sich die Autos, Fußgänger wirken gestresst.

Es sieht wild aus auf dieser Verkehrsachse in Laim. So wild, dass man als Laie gar nicht glauben mag, dass hier schon Ende dieses Jahres Trambahnen fahren sollen.

Auf anderthalb Kilometern soll der erste Abschnitt der Tram-Westtangente zwischen Agnes-Bernauer-Straße und Ammerseestraße in Betrieb gehen. Das haben sich die Stadtwerke München (SWM) und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) fest vorgenommen. Nur noch sechseinhalb Monate bleiben ihnen, dieses Vorhaben umzusetzen.  Und die SWM bleiben dabei: Die Eröffnung des ersten Teilstücks werde im Dezember dieses Jahres stattfinden, teilt eine Sprecherin mit. Was Nicht-Fachleuten also wie Chaos vorkommt, hat anscheinend Methode.

Von Schienen ist noch nicht viel zu sehen.
Von Schienen ist noch nicht viel zu sehen. (Foto: Stephan Rumpf)
Zuerst mussten Leitungen verlegt werden.
Zuerst mussten Leitungen verlegt werden. (Foto: Stephan Rumpf)

Vor einem Jahr haben offiziell die Bauarbeiten zur Tram-Westtangente begonnen. Den Spatenstich am 7. Juni 2024 haben die SWM groß gefeiert. Die Offiziellen, unter ihnen Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) und MVG-Chef Ingo Wortmann, schwangen fröhlich die Schaufel, als das Projekt endlich gestartet wurde – mit zehn Wochen Verzögerung. Das Verkehrskonzept war nicht rechtzeitig fertig geworden.

Immerhin hat die Stadt schon im weiteren Umfeld Umleitungen ausgeschildert, sodass deutlich weniger Autofahrer die Fürstenrieder Straße als Nord-Süd-Verbindung nutzen. 70 Prozent hat die Straße an Leistungsfähigkeit eingebüßt. Für Albert Sesselmeier, den Sprecher der Bürgerinitiative „Keine Tram Westtangente“, herrscht seit Beginn der Bauarbeiten ein „Riesenchaos“.

Doch der anfängliche Kampf der Initiative gegen die Westtangente ist einer gewissen Resignation gewichen. „Wir haben unsere Bedenken und Beschwerden eingebracht“, sagt Sesselmeier. Mehr habe man nicht tun können. „Es war eine demokratische Entscheidung. Aus Respekt vor der Demokratie hat man das zu akzeptieren.“ Also gelte: „Augen zu und durch.“

(Foto: SZ-Grafik)

Dass die Baustelle eine gewisse Dynamik hat, die Beschwernisse für Verkehrsteilnehmer aber auf dem gleichen Niveau bleiben, kommentiert Sesselmeier so: „Alles ändert sich, aber ändern tut sich nix.“ Ob er und seine Mitstreiter glauben, dass die SWM mit der Tangente rechtzeitig fertig werden? Sesselmeier, der schon in der Gegend aufgewachsen ist, bezweifelt das, zumindest wenn er die Baustelle beobachte und manchmal nur wenige Bauarbeiter entdecke.

Ein subjektiver Eindruck, dem die SWM freilich widersprechen. Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin, man sei im Zeitplan, punktuell habe es aber Herausforderungen gegeben. So sei etwa die Erneuerung der unter der künftigen Trambahntrasse liegenden, rund 100 Jahre alten Hauptwasserleitung anspruchsvoller gewesen, als erhofft. Bis zum Sommer seien die meisten Arbeiten an der Wasserleitung in Laim voraussichtlich abgeschlossen.

Gerade im Untergrund liegen die Tücken, etwa am Knotenpunkt Agnes-Bernauer-/Fürstenrieder Straße, wo die SWM eine Gleiskreuzung bauen, um die künftige Westtangente an das bestehende Tramnetz anzuschließen. Auch hier müssen viele einzelne Leitungen verlegt werden. Der Westast der Tram 19 ist deshalb bis voraussichtlich Ende August unterbrochen, erst dann soll die Linie wieder bis Pasing fahren.

Ende Juni geht es dann auf der anderen Seite der Laimer Unterführung mit den Bauarbeiten los, in Neuhausen-Nymphenburg. Auch hier wird zunächst die Hauptwasserleitung erneuert, deretwegen Autofahrer neue Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Die Wotanstraße wird bis August 2026 zur Einbahnstraße Richtung Norden. Die Buslinien 51, 151 und N78 werden zwischen Romanplatz und Laimer Bahnhof über den Bahnhof am Hirschgarten umgeleitet. Auch einige Haltestellen müssen verlegt werden.

Die Arbeiten an den unterirdischen Leitungen dauern voraussichtlich bis August 2026. Dann ist eine Baupause vorgesehen, in der die Straße wieder bis Mai 2027 nutzbar sein soll. Danach wird die Wotanstraße erneut zur Einbahnstraße, und zwar bis Dezember 2028. In dieser Zeit wollen die SWM den Bau der Gleise und alles, was dazugehört, erledigen.  Insgesamt wird die Tram-Westtangente etwa achteinhalb Kilometer lang.

Laut dem bisherigen Zeitplan folgen nach der Inbetriebnahme des Abschnitts Agnes-Bernauer-Straße bis Ammerseestraße die Bauabschnitte Ammerseestraße bis Waldfriedhof und Waldfriedhof bis Ratzingerplatz, beide bis 2027. Die Aidenbachstraße soll dann bis 2028 angeschlossen werden. Es wird also noch einige Zeit Staub aufgewirbelt im Münchner Westen. Und ob dann alles so kommt wie geplant, oder ob Zeitplan-Zweifler wie Albert Sesselmeier – er rechnet eher mit Arbeiten bis 2035 – recht haben, wird sich dann zeigen.

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