Führungswechsel im BaureferatDie Frau für Münchens Baustellen

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Jeanne-Marie Ehbauer soll Nachfolgerin von Rosemarie Hingerl werden.
Jeanne-Marie Ehbauer soll Nachfolgerin von Rosemarie Hingerl werden. (Foto: privat)

Jeanne-Marie Ehbauer soll Münchens neue Baureferentin werden. Für das Erreichen der ambitionierten Klimaziele und die Umgestaltung des öffentlichen Raums kommt der 54-Jährigen damit eine entscheidende Rolle zu.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Es ist eine Frau, sie ist Mitglied der Grünen und kommt aus Bremerhaven: Jeanne-Marie Ehbauer soll Münchens neue Baureferentin werden. Die Fraktion der Grünen/Rosa Liste hat am Montag bekanntgegeben, dass sie die 54-Jährige dem Stadtrat zur Wahl am 29. Juni vorschlagen wird. Sie soll Rosemarie Hingerl (parteilos) ersetzen, die nach 18 Jahren an der Spitze des Baureferats in Ruhestand geht.

Bürgermeisterin Katrin Habenschaden bezeichnete die designierte Nachfolgerin als eine "hervorragende Expertin für Fragen des ökologischen Bauens und der Stadtplanung, die ihre Fähigkeiten bereits in leitender Verwaltungstätigkeit unter Beweis gestellt hat". Bis 2020 war Ehbauer in Bremerhaven als Baudezernentin tätig.

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Ihre Wahl gilt mit den Stimmen des Koalitionspartners SPD/Volt als sicher. Ehbauer wäre dann die oberste Frau vom Bau. Während sich das Planungsreferat um die großen Linien der Stadtentwicklung kümmert, befasst sich das Baureferat mit der Praxis. Die Behörde ist zuständig für die Errichtung und den Unterhalt von öffentlichen Gebäuden und Grünanlagen, von Brücken und Tunneln, Plätzen und Straßen, U-Bahnanlagen und Klärwerken. Ungefähr 4000 Beschäftigten arbeiten im Baureferat, darunter Architekten und Ingenieure, Rechtsexperten, Handwerker, Straßenkehrer und Kanalarbeiter.

Am Montag hat Ehbauer sich im Rathaus in den Sitzungen der beiden Regierungsfraktionen vorgestellt. "Ich freue mich sehr", sagt sie danach am Telefon, und dass sie "riesige Chancen" sehe. "Voller Begeisterung" habe sie den Koalitionsvertrag von Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt gelesen. Nun wolle sie die Wahl Ende Juni abwarten - aber ein bisschen habe sie schon mal angefangen, sich nach einer Wohnung umzusehen. Denn das, so habe sie sich sagen lassen, sei in München ja nicht ganz so einfach.

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Dem Baureferat fällt bei der Umsetzung der Verkehrswende, beim Erreichen der ambitionierten Klimaziele und bei der Umgestaltung des öffentlichen Raums eine entscheidende Rolle zu. Sie wolle die Begrünung in der Stadt "verstärken und verbessern", kündigt die designierte Referentin an, sowie Formate für Bürgerbeteiligung weiterentwickeln und ausbauen. Einen besonderen Fokus wolle sie auf Plätze und Freiräume legen, denen eine wachsende ökologische, aber auch soziale Bedeutung zukomme. Als weiteren Schwerpunkt nennt sie den Ausbau der Radinfrastruktur.

Ehbauer ist in Karlsruhe geboren und aufgewachsen. München kenne und möge sie seit der frühen Kindheit, erzählt sie. Die Ferien habe sie oft bei ihren Großeltern in der Nähe von Ingolstadt verbracht - Besuche in der Landeshauptstadt inklusive. In Karlsruhe und Zürich hat sie Architektur mit dem Schwerpunkt Stadtplanung studiert.

2004 promovierte sie über "Möglichkeiten von Stadt- und Bauplanung zur Stützung der freilebenden Fauna in der Stadt". Anschließend arbeitete sie als Beraterin für ökologische Stadt- und Hochbauplanung, bis sie 2014 die Leitung des Baudezernats von Bremerhaven übernahm. Dort führte sie mehrere Hundert Mitarbeiter. Ein Jahr nach ihrem Amtsantritt änderten sich die politischen Verhältnisse - 2020 wurde sie nicht wiedergewählt.

Die 120 000-Einwohner-Stadt Bremerhaven sei im Vergleich mit München eine sehr arme Stadt, sagt Ehbauer, im Rahmen der Möglichkeiten sei dort in ihrer Amtszeit aber viel saniert worden. Stolz sei sie auf die neue Stadtbeleuchtung, mit der über zwei Jahrzehnte bis zu 70 Prozent weniger Energie verbraucht werde. In München warten nun eine zwölf Mal so große Stadt und ungefähr acht Mal so viele Mitarbeiter auf sie. Aber die Strukturen seien ähnlich, die Arbeit "im Prinzip gleich", so Ehbauer.

Ob sich das im Alltag auch so bewahrheitet, wird sich nach der Wahl Ende Juni zeigen. Die Referentinnen und Referenten in München sitzen als mächtige Topmanager der Stadt an den Schnittstellen von Politik und Verwaltung und sind damit ein entscheidender Faktor, ob und wie die inhaltlichen Ziele einer Mehrheit im Rathaus umgesetzt werden. Sie können eigene Initiativen für Beschlüsse einbringen, aber auch durch taktisches Geschick Einfluss auf die Politik nehmen. Ein ungeliebter Auftrag kann intern schon mal eine Schleife mehr nehmen und damit längere Zeit benötigen als gedacht.

Nicht umsonst werden Referenten auch Stadtminister genannt, unterscheiden sich aber von Landesministern dadurch, dass sie nicht ernannt, sondern gewählt werden. Grüne und Sozialdemokraten haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, wer den jeweiligen Kandidaten oder die jeweilige Kandidatin vorschlagen darf, wenn die Amtszeit nach sechs Jahren abgelaufen ist. Obwohl der Job formal der Verwaltung zugeordnet ist und deshalb besondere Qualifikationen voraussetzt, wird er mehr oder weniger offen nach Parteibuch besetzt.

An den formalen Qualifikationen war im Februar die ehemalige Grünen-Fraktionschefin Anna Hanusch gescheitert, die ihre Fraktion zunächst für den Spitzenjob vorgeschlagen hatte. Doch selbst wenn es Ausschreibungen gibt und parteilose Fachleute geholt werden, sind diese in der Regel eindeutig einer politischen Partei oder Idee zuzuordnen.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Grünen gemäß dem ihnen zustehenden Vorschlagsrecht nach der parteilosen Hingerl nun ein Parteimitglied wählen wollen. Wie politisch die Arbeit der Referenten ist, zeigt das Schicksal der drei CSU-Verwaltungschefs, die noch in der letzten Amtsperiode gewählt wurden. Keiner wird sich halten können, nicht einmal der über Parteigrenzen geschätzte Personalreferent Alexander Dietrich durfte bleiben.

Von Ministern unterscheiden sich Referenten auch dadurch, dass ihre Amtszeiten nicht zum gleichen Zeitpunkt enden. Mit der neuen Baureferentin Ehbauer und dem Nachfolger des IT-Referenten Thomas Bönig, der nach den Pfingstferien vorgestellt werden soll, hat die Koalition nun neun von 14 Topjobs der Verwaltung neu vergeben oder bestätigt und damit die Weichen für die vier kommenden Jahre ihrer Amtszeit gestellt.

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