Süddeutsche Zeitung

Bauprojekt in Obersendling:"Keine Aufwertung, sondern eine Verschandelung"

In Obersendling soll eines der größten Neubauprojekt im Münchner Süden entstehen - doch die Mehrheit des Bezirksausschusses ist mit der Planung nicht einverstanden. Vor allem die Hochhäuser stoßen auf Kritik.

Von Jürgen Wolfram

Zu dicht, zu hoch, zu geringer Wohnungsanteil und zu wenig Rücksichtnahme auf Anwohnerwünsche - so lässt sich skizzieren, was Stadtteilpolitikern an einem der größten Neubauvorhaben im Münchner Süden missfällt. Gegen die Überplanung der Leerstandsfläche zwischen Machtlfinger Straße und Geisenhausener Straße in Obersendling mehrten sich zuletzt bereits die Bedenken von Bürgern, nun hat auch der Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln seine Vorbehalte deutlich gemacht.

In einer mehrheitlich verabschiedeten Stellungnahme appellieren die Lokalpolitiker an den Stadtrat, den nächsten Schritt im Genehmigungsverfahren, den Billigungsbeschluss, nicht zu vollziehen, solange nicht "eine breite öffentliche Diskussion" über Höhe, Baumasse und die Ausgestaltung von drei 80-Meter-Hochhäusern erfolgt sei. Denn eine echte Bürger- und Behördenbeteiligung habe bisher nicht stattgefunden. Sie sei vom Planungsreferat offenbar nicht erwünscht gewesen, was sich an der Terminierung in den Sommerferien und in der Weihnachtszeit ablesen lasse. Ohne eine Meinungsbildung, die diesen Namen verdiene, sei eine Zustimmung zum Bebauungskonzept jedoch "unter keinen Umständen" möglich, heißt es im BA-Beschluss.

Das Neubauvorhaben in Obersendling, entwickelt von den KPAC Architekten und Planern im Auftrag des Hauptinvestors, der Salvis AG, umfasst Bürobauten mit bis zu 5000 Arbeitsplätzen, 280 Wohnungen, Hotels, Gewerbe, Einzelhandel, Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Anstoß nehmen die Kritiker vor allem an der Höhenentwicklung. 80 Meter wären im Stadtbezirk eine neue Top-Marke; das solitäre Siemens-Hochhaus im selben Viertel misst 75 Meter. Erste Entwürfe gingen sogar von Gebäudehöhen von bis zu 120 Metern aus. So oder so wären die Hochpunkte "keine Aufwertung, sondern eine Verschandelung", sagte Reinhold Wirthl (CSU). Der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU) erklärte, zwischen Gebäudehöhen von 20 und 80 Metern gebe es "mehrere Möglichkeiten".

Auch die geplante Bebauungsdichte stört Anwohner wie BA-Mitglieder gleichermaßen. SPD-Fraktionssprecherin Dorle Baumann nannte sie "wahnsinnig". Im Planareal drohe eine Art "Riegel vor der Innenstadt", der nicht zuletzt unter klimatischen Gesichtspunkten problematisch wäre. Ähnlich skeptisch betrachtet die BA-Mehrheit den Anteil der geplanten Wohnnutzung von gerade mal 11,8 Prozent. Auf 25 Prozent sollte er erhöht werden, empfiehlt die Stadtteilvertretung. "Dann wäre der Wohnanteil immer noch nicht dominant, hätte aber angesichts der Knappheit bezahlbaren Wohnraums in München den entsprechenden Stellenwert", heißt es in der Stellungnahme.

Insgesamt eine "deutliche Aufwertung"

Grundsätzlich sind die Lokalpolitiker mit den städtebaulichen Bemühungen eigentlich einverstanden, die Brache neu zu strukturieren, welche die Firma Siemens und das Betonwerk Katzenberger (derzeit in Zwischennutzung durch das Kulturprojekt "Sugar Mountain") hinterlassen haben. So enthalte das KCAP-Konzept durchaus positive Ansätze, wie die Öffnung des Geländes zum Stadtviertel hin, die Schaffung eines Quartierplatzes sowie eines Grünzugs entlang des ehemaligen Industriegleises oder die Berücksichtigung von Sport und Kultur, hebt der Bezirksausschuss hervor.

Auf diese Vorzüge der Planung weist die größte Fraktion im Bezirksausschuss, die der Grünen, nachdrücklich hin. Gemeinsam mit Richard Panzer (parteilos) und Gabriele Weishäupl (FDP) lehnte sie die negativ intonierte Stellungnahme denn auch ab. Aus Sicht der Grünen trägt die Planung "insgesamt zu einer deutlichen Aufwertung des gesamten Umgriffs bei".

Um dies zu erkennen, müsse man sich nur mal an den heruntergekommenen Zustand des Geländes in der Vergangenheit erinnern, riet Alexander Aichwalder (Grüne). Hochhäuser findet seine Partei im vorliegenden Fall unproblematisch; diese verhinderten sogar eine ausufernde Versiegelung. "Wir sehen den Bebauungsplan als Chance für eine zukunftsgerechte, nachhaltige und ambitionierte Quartiersentwicklung", fasst Johanna Vocht (Grüne) die Position ihrer Fraktion zusammen.

Leicht gemacht haben es sich die BA-Mitglieder mit ihrer Stellungnahme nicht. Bei einer öffentlichen virtuellen Konferenz wenige Tage vor der Beschlussfassung feilten die Lokalpolitiker sechs Stunden lang an jeder einzelnen Formulierung ihrer Resolution. Einig war man sich immerhin in einem Punkt: Die Stadt müsse bereitwilliger auf die Zweifel der Obersendlinger Bevölkerung eingehen.

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