München:Bauer sucht Koch

München: Bei der Gockelverkostung: Bauer Florian Reiter (links) mit Küchenchef Manuel Reheis im "Broeding".

Bei der Gockelverkostung: Bauer Florian Reiter (links) mit Küchenchef Manuel Reheis im "Broeding".

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Zweinutzungshuhn hat eine Lobby: Züchter setzen auf Aktionswochen in Kantinen

Von Franz Kotteder

Zweinutzungshuhn, das klingt ziemlich technokratisch. So, als wolle die industrialisierte Landwirtschaft aus den Tieren das Allerletzte rauspressen. Nicht nur 300 Eier pro Jahr, sondern möglichst noch ein paar Kilo Fleisch? Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Das Zweinutzungshuhn geht zurück zur Natur. Denn während herkömmliche Zuchtlinien nur eine Nutzung zulassen - entweder Fleischmast oder Legehennen -, sind die Zweinutzungshühner, ganz wie früher, für beides zu gebrauchen.

Der Verein Genussgemeinschaft Städter und Bauern lud am Dienstagnachmittag Kantinenwirte, Köche, Caterer sowie Vertreter der Stadt zur "Gockelverkostung" ins Restaurant Broeding, um diese seltene Erscheinung im Nutztierreich etwas bekannter zu machen. Der Bauer Florian Reiter vom Chiemgauhof Locking bei Amerang vermittelte höchst engagiert das nötige Hintergrundwissen. Seit knapp zehn Jahren arbeitet er mit französischen Les-Bleues-Hühnern, einer Rasse, die sowohl Eier legen, als auch für die Fleischerzeugung taugen. Mit 175 Tieren fing er an, heute sind es um die 3000, und er kann mit seiner Familie inzwischen davon leben. Mittlerweile hat er auch ein Netzwerk von 20 Les-Bleues-Haltern aufgebaut.

Diese Form der Landwirtschaft ist sehr ungewöhnlich. Denn normalerweise werden sogenannte Hybridhühner gehalten, deren Zuchtlinien von lediglich drei großen Weltkonzernen bestimmt werden. Dabei handelt es sich um Tiere, die entweder Eier legen, also Hennen, oder die zur Mast gehalten werden. "99,9 Prozent aller Hühner stammen aus diesen wenigen Zuchtlinien", sagt Reiter, "auch die Biohühner." Das hat gewaltige Nachteile, vor allem für die Hühner. Bei den Tieren, die speziell fürs Eierlegen gezüchtet wurden, sind die männlichen Küken überflüssig - sie werden sofort nach dem Schlüpfen getötet und zu Tierfutter verarbeitet. Offizielle Zahlen gibt es nicht, Reiter geht von 60 Millionen getöteten Küken pro Jahr aus.

Nicht viel besser sieht es bei den Masttieren aus, die oft in Riesenställen für 40 000 Hühner gehalten werden. Die einzelnen Tiere haben gerade mal so viel Platz wie ein Blatt Papier. Und weil sie auf eine möglichst große Brust hin gezüchtet werden, halten die dünnen Beinknochen am Ende oft dem Körpergewicht nicht mehr stand. Insofern ist die Schlachtreife nach 33 Tagen meist eine Erlösung für die Tiere.

Beim Zweinutzungshuhn ist das anders. Die "Blauen" - so die Übersetzung für "Les Bleues" - stammen genetisch vom edlen Bresse-Huhn ab, dürfen ein halbes Jahr alt werden und bis zu 2,4 Kilo schwer. Um die 35 Euro kostet ein Tier. Manuel Reheis, Chefkoch im Broeding: "Das Fleisch hat eine gewisse Süße, es schmeckt intensiver." Dafür sind sie fleischiger, auch aus Hals und Flügeln lässt sich noch ein schmackhaftes, grünes Curry bereiten, wie Reheis zeigt. Das Brustfilet wiederum ist von seltener Zartheit. Es verhält sich da ähnlich wie zwischen einer wässrigen Hollandtomate und einer aus Freilandzüchtung. Das beeindruckt auch die anwesenden Caterer und Kantinenköche. Die Genussgemeinschaft und Reiter hoffen nun, mit Aktionswochen das Zweinutzungshuhn stärker ins Bewusstsein der Verbraucher zu rücken und zumindest ein kleines Gegengewicht zur allmächtig erscheinenden Viehzuchtindustrie zu setzen.

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