Naturschutz:Lieber umpflanzen als umsägen

Kolonie Eggarten in München, 2018

Wenn ein neues Stadtquartier wie etwa in der Eggarten-Siedlung entwickelt werden soll, steht Baurecht dem Baumschutz entgegen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Stadtrat will den Baumbestand in München besser schützen - mit einem Masterplan und neuen Zuständigkeiten für das neue Klima- und Umweltreferat.

Von Thomas Anlauf

Wenn sich Christine Kugler an diesem Dienstag als erste Klimaschutz- und Umweltreferentin Münchens dem Stadtrat vorstellt, wird es auch um die Frage gehen, welche Fachbereiche künftig in ihr Ressort fallen. Viele Themen, die bislang von anderen Referaten betreut werden, könnten ins Aufgabengebiet des Referats für Klimaschutz und Umwelt (RKU) übergehen. Die städtischen Forstbetriebe etwa fallen ins Ressort des Kommunalreferats. Die Untere Naturschutzbehörde wiederum ist beim Planungsreferat angesiedelt. Dabei gibt es gerade dort immer wieder Interessenskonflikte, etwa beim Baumschutz.

Wenn ein neues Stadtquartier wie beispielsweise in der 21 Hektar großen Eggarten-Siedlung im Münchner Norden entwickelt werden soll, steht Baurecht dem Baumschutz entgegen. So müssen in der etwas verwilderten Siedlung womöglich Hunderte Bäume Neubauten weichen. Eine Kontrollinstanz in einem anderen Referat, eben dem neuen RKU, würden da viele Stadträte begrüßen. Das neue Referat sei auf jeden Fall "eine Erfolgsgeschichte im Sinne des Baumschutzes", sagt Mona Fuchs, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. Auch ÖDP-Fraktionschef Tobias Ruff findet es ausdrücklich gut, wenn der Baumschutz künftig ins Aufgabengebiet des RKU fallen würde.

Denn in München mit seinem angespannten Wohnungsmarkt versuchen Investoren, jede kleine Baulücke zu füllen - sei es ein Handtuchgrundstück oder ein Innenhof. Meist stößt der Bauherr bei den Bewohnern auf Protest, wenn dabei ein Baum oder gar mehrere fallen sollen. Für viele Menschen ist so ein großer Baum vor dem Fenster oder der Haustür ein natürlicher Bestandteil des Wohnens. Und natürlich haben ausgewachsene Bäume auch wichtige ökologische Funktionen. Sie bieten Raum für Tiere, sind als Sauerstoffproduzenten, Luftfilter und Schattenspender wichtig für das Stadtklima - und stehen nebenbei für Lebensqualität. Die Stadt hat das längst erkannt und eine Baumschutzverordnung erlassen, die besonders große Bäume unter Schutz stellt. Trotzdem verschwinden jährlich Tausende Bäume aus dem Stadtbild. Als Ersatz werden meist nur junge Pflanzen gesetzt, oftmals an ganz anderen Standorten.

In den vergangenen Monaten haben deshalb verschiedene Stadtratsfraktionen Vorstöße unternommen, insbesondere ausgewachsene Bäume besser als bisher zu schützen. Vor knapp eineinhalb Jahren forderten die Grünen einen Masterplan für die Bäume in München. Damit sollten Bäume besser erfasst und ihnen auch ein konkreter Wert zugeschrieben werden. Die Idee: Eine hundertjährige Eiche mit einem Kronendach von 4000 Kubikmetern Volumen hat an Filter- und Schutzfunktionen ein Vielfaches von einem neugepflanzten Bäumchen. Mit dem Masterplan soll auch festgelegt werden, welche Grundstücke dank der alten Bäume ökologisch so wertvoll sind, dass sie gar nicht erst bebaut werden dürfen.

Wenn ein Baum aber partout einem Neubau oder gar einer Straße weichen muss, schlägt die ÖDP nun vor, ihn lieber zu verpflanzen als zu fällen. In einem Stadtratsantrag fordert die Fraktion eine Datenbank mit allen schützenswerten Großbäumen, die akut von einer Fällung bedroht sind. Die Bäume könnten dann von Grundstücksbesitzern "adoptiert" und umgepflanzt werden. Auch in städtische Grünanlagen könnten demnach Bäume umgesiedelt werden, bevor sie umgesägt werden. "Wir bieten den Baum sozusagen in einer Börse an", sagt ÖDP-Fraktionsvorsitzender Ruff. Für große Areale wie der Eggarten-Siedlung, auf der viele alte Bäume stehen, sei dieses Instrument natürlich nicht geeignet. Allerdings könnten Architekten und Städteplaner verstärkt von der Stadt in die Pflicht genommen werden, auf alte Baumbestände zu achten und sie möglichst zu schützen, anstatt sie zu roden und die Flächen dann mit Jungbäumen nachzupflanzen. "In Zeiten des Klimanotstands können wir es uns nicht mehr leisten, alte Bäume für immer zu verlieren", heißt es in dem Antrag der ÖDP.

Denn es braucht mehrere Jahrzehnte, bis ein Baum seine volle Leistungsfähigkeit entwickelt, ob als Schattenspender oder Klimaverbesserer. Dass darüber hinaus auch mehr Bäume in München gepflanzt werden sollen als gefällt werden, ist mittlerweile ein erklärtes Ziel der Stadtpolitik. Im vergangenen Jahr wurden auf öffentlichen Flächen mehr als 2600 Bäume gepflanzt, die städtischen Forstbetriebe haben sich sogar vorgenommen, innerhalb von fünf Jahren eine halbe Million Bäume in den kommunalen Wäldern zu pflanzen. Die Gefahr, dass München bald dicht bewaldet ist, besteht allerdings nicht. Denn eine zu starke Aufforstung würde nach Ansicht des Planungsreferats womöglich als Riegel verhindern, dass kühle Luft in die sich seit Jahren immer stärker aufheizende Stadt strömt.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivNaturschutz in Bayern
:Wo der Wald wild sein darf

Die Staatsregierung deklariert weitere 52 000 Hektar Staatswald zu besonders geschützten Naturwäldern. Über Bayern verteilt sollen sich in den großen und kleinen Gebieten Flora und Fauna frei entfalten können.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: