Süddeutsche Zeitung

Barrierefreiheit:Zwölf Forderungen für mehr Inklusion

Wie kann die Situation für Menschen mit Behinderung verbessert werden? Der Behindertenbeirat macht konkrete Vorschläge und übt Kritik. Dass zum Beispiel Aufzüge an U-Bahn-Stationen monatelang ausfallen, sei nicht hinnehmbar.

Von Katharina Federl

Barrierefreie Theater, Schwimmbäder und Verkehrsmittel, "Toiletten für alle" sowie Schulsozialarbeit an allen Schulen: Anlässlich der bevorstehenden Kommunalwahl hat der Behindertenbeirat am Mittwoch zwölf Forderungen zum Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen an Kandidaten für den Stadtrat übergeben. Vorstandsvorsitzende Nadja Rackwitz-Ziegler wünscht sich, dass das Thema Inklusion in das Regierungsprogramm aufgenommen wird.

Mit dabei waren unter anderem Katrin Habenschaden (Grüne), Kristina Frank (CSU) und Simone Burger (SPD). In Form von ironisierenden Karikaturen sollen die Forderungen im Gedächtnis der Politiker bleiben. So wird eine grauhaarige Rollstuhlfahrerin abgebildet, die ihrer Freundin beim Kaffeetrinken erzählt: "Mit dem Flugzeug nach Rio war unterm Strich leichter als mit dem Bus zum Stachus."

Anschließend konnten die anwesenden Politiker selbst erfahren, wie sich das Leben als Mensch mit Behinderung in München gestaltet. Unter fachkundiger Begleitung wurden vier Erlebnisse aus dem Alltag von Menschen mit Behinderungen in der Münchner Altstadt vorgestellt.

So probierte Paul Bickelbacher (Grüne), im Rollstuhl sitzend über einen Bordstein in der Burgstraße zu fahren und Katrin Habenschaden ging gehörlos über den Marienplatz. Kristina Frank versuchte, einen bürokratischen Text in leichte Sprache zu übersetzen. "Für mich als Juristin ist das gar nicht so einfach", sagt die Oberbürgermeisterkandidatin der CSU. In der kommenden Legislaturperiode will sie sich insbesondere für einen verständlicheren Internetauftritt einsetzen. "Schon für eine Normalverständliche wie mich ist das ein großes Wirr-Warr", gibt sie zu. Ihre Wahlkampfvideos seien bereits mit Untertiteln ausgestattet. Außerdem fordert sie, Stolperstellen aller Art weitestgehend abzubauen und Bürgersteige anstelle von Bordsteinen zum Beispiel durch auffallende Streifen kenntlich zu machen.

Eine Abschaffung von Barrieren fordert auch Simone Burger. "München soll eine Stadt für alle sein, dazu gehören natürlich auch Menschen mit Behinderungen", sagt sie. Auch eine Verbesserung der sozialen Absicherungen stehe hier im Fokus.

"Die Barrierefreiheit ist ein Querschnittsthema", sagt Constanze Kobell (Grüne). Die Stadtratskandidatin weiß genau, wie es sich anfühlt, eingeschränkt zu sein. Seit ihrer Geburt lebt sie mit einem Herzfehler, der sie in vielen Alltagssituationen belastet. Gerade deshalb will sie sich intensiv für die Barrierefreiheit im gesamten MVV-Gebiet und für mehr Behindertenparkplätze und Sitzgelegenheiten in der Fußgängerzone einsetzen.

In einer Sache sind sich die Politiker einig: In einer so wohlhabenden Stadt wie München muss in puncto Barrierefreiheit noch einiges passieren. Auf vielen Veranstaltungen gebe es nicht ausreichend Platz für Rollstuhlfahrer, an manchen U-Bahn-Stationen fallen wegen technischen Defekten wochen- und monatelang die Aufzüge aus. "Man merkt aber, dass die Stadtgesellschaft langsam wacher wird", sagt Kobell.

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SZ vom 06.02.2020/kaal
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