Gefragte Viertel wie das Glockenbach sind ständig wechselnde Gastrobetriebe gewöhnt. Und doch passiert es nicht oft, dass Räumlichkeiten das dritte Konzept innerhalb eines Jahres beherbergen, wie neuerdings die Ickstattstraße 21. Unweit des Isarufers feierte das S. Zimmer, nicht zu verwechseln mit Käfers Esszimmer in der BMW-Welt, Ende Januar Wiedereröffnung am alten Standort.
Von Juli 2021 bis August 2022 war die Weinbar mit Restaurant hier bereits eingezogen, von Sommer bis Jahresende wurde an das Gasthaus Waltz untervermietet. Nun also startet das S. Zimmer einen zweiten Anlauf.
Der Geschäftsführer und Namensgeber Sascha Zimmer ist eigentlich Bauingenieur und pendelt zwischen München und seinem Ingenieurbüro im Saarland. Daher hält er sich beim S. Zimmer im Hintergrund und überlässt seiner Frau Petra Grunder das Feld. Die ist Vollblutgastronomin, und das bereits seit etwa 30 Jahren.
Bei der Auswahl ihres Teams lässt sie sich Zeit, es fehlt noch an Service, Betriebsleitung und Sommeliers. Beim ersten Versuch habe sich das Team zu schnell aufgestellt, es habe einfach nicht gepasst, erklärt Zimmer. Das sei auch der Grund für die halbjährige Pause gewesen. Bis also die Belegschaft peu à peu zusammenkommt, kann man auf den herzlichen Service und die Weinempfehlungen der beiden Betreiber vertrauen.
In Sachen Wein liegt die Expertise wiederum bei Sascha Zimmer. Seine Leidenschaft für toskanische Rotweine habe den Anstoß zur eigenen Weinbar gegeben. So gibt es im S. Zimmer zwei verschiedene Weinkarten, eine Standardkarte und eine spezielle Liste mit sogenannten Supertoskanern, eine Bezeichnung für meist rote Weine aus der Toskana, die zwar nicht den Richtlinien der "Denominazione di Origine Controllata", kurz D.O.C, entsprechen, aber dennoch in Sachen Qualität und Auszeichnung so manchem D.O.C-Wein den Rang ablaufen.
Zimmer hat Supertoskaner verschiedenster Jahrgänge gesammelt, darunter Sassicaias und Ornellaias aus den Neunzigerjahren. Selbst hochpreisige Weine macht er seinen Gästen zugänglich. Mit einer Nadel extrahiert er durch den Korken hindurch eine Probiermenge, durch zugeführte Edelgase bleibt die Flasche dabei verschlossen. So kann man für unter 40 Euro einen 2011er Tignanello kosten, ohne die ganze Flasche für 280 Euro kaufen zu müssen.
Auf begrenztem Raum werden derart viele Weinflaschen zum dominierenden Einrichtungselement, sei es im von Kühlschränken gesäumten Nebenraum oder im Hauptraum, wo Rotweine kopfüber in einer hölzernen Wandvorrichtung auf ihren großen Moment warten. Apropos kopfüber, für funkelnde Lichteffekte von der Decke sorgen hier keine Discokugeln, sondern an ihren Stielen aufgehängte Weingläser. Darunter viel Grün - die Farbe der Isar, meint Zimmer - und ein kleiner Ecktresen mit vier Barplätzen.
Natürlich könnte man im S. Zimmer den Abend nur mit Wein bestreiten und hätte damit genug zu verarbeiten. Die neue Speisekarte sollte man sich trotzdem nicht entgehen lassen. Mit Sepehr Alipour und Jonas Ulbrich konnte Zimmer ein junges und kreatives Kochduo gewinnen. Beide arbeiteten zuvor gemeinsam im Mural, dessen Handschrift im Menü des S. Zimmers durchkommt: Regionales und Saisonales, aufs Wesentliche reduziert und ganzheitlich verwertet.
Zum Schaumwein-Aperitif reicht Ulbrich beispielsweise seine selbstgemachte Miso-Suppe auf Forellenbasis. Wunderbar zum vollmundigen, kalt getrunkenen Valpolicella Ripasso (7,50 Euro) machen sich Rindertatar (16 Euro), Wirsing im Salzteig mit Scamorza (21 Euro) oder das gereifte Schweinekotelett (32 Euro).
Besonders gelungen ist auch das Pilztatar mit Räucherfischschaum (12 Euro) und die Karpfenroulade mit Wirsing und Schwarzwurzel (24 Euro). Und wer Samstagabend bei so vielen Gängen zu tief ins Weinglas geschaut hat, kann am nächsten Morgen zum Tatort zurückkehren und dem Kater beim Sonntagsbrunch mit Brioche, Quiche und Co. entgegenwirken.
S. Zimmer , Ickstattstraße 21, 80469 München, Telefon 089/20207390, Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag 16 bis 23 Uhr, Sonntagsbrunch 11 bis 17 Uhr