Süddeutsche Zeitung

Schwarzer Hahn:Auf ein Bier mit Marlon Brando

Zum schnieken Glockenbachviertel sind es nur wenige Meter, von dessen Chic ist man im Schwarzen Hahn aber meilenweit entfernt - dort dominieren Tattoos, Lederjacken und Hoodies.

Von David Wünschel

An der Eingangstür klebt ein Sticker neben dem nächsten. Kein Quadratdezimeter, der nicht von Aufklebern übersät ist: "Boazn Boyz", "Uschi ist ein Einhorn", "Curry Gang all Day". Über der Tür: ein Graffito von einem schwarzen Hahn; neben der Tür: ein schwarzes Holzbrett, darauf steht in weißen Farben das angeschrieben, was es zu trinken gibt: Helles ab 3,50; Weinschorle 5,50; Shots ab 1,50 Euro.

Dann geht es rein in die Kneipe an der Reichenbachbrücke; zum Glockenbachviertel sind es nur wenige Meter, von dessen Chic ist man im Schwarzen Hahn aber meilenweit entfernt. Aus den Boxen dröhnt Rock aus den 1960er- und 1970er-Jahren, gerade so laut, dass man sich gut verstehen kann. Schnelle Beats, viel Gitarre, viele knarzende Männerstimmen. Früher gab es hier regelmäßig Livemusik, momentan herrscht Pandemie-Pause.

Hinter der Theke stehen Natascha Sanwald und ihr Mann Carsten Pauer, die beiden Pächter der Kneipe; beide sind bis zu den Handrücken tätowiert. Sie umarmen fast jeden zweiten Gast, der durch die Tür kommt. Es sind viele Stammgäste, die meisten zwischen 30 und 50, viele Tattoos, viele Lederjacken und Kapuzenpullover. In den Schwarzen Hahn kämen Ärztinnen und Anwälte genauso wie Rockabillys und Hiphopper, sagt Pauer. Nur eine Gruppe darf nicht rein: Minderjährige. Zutritt ab 18 Jahren. "Ich will keine feiernden Jugendlichen hier haben, die mir nach zwei Jägermeistern die Bude vollkotzen", sagt Pauer.

Schwarzer Hahn

Ohlmüllerstr. 8

Drinks: Lynchburg Lemonade

Publikum: Lederjacken, Kapuzenpullover

Atmosphäre: Bodenständig

Öffnungszeiten: Di bis Sa von 19 bis 1 Uhr

Den Schwarzen Hahn gibt es seit 2006, 2013 übernahmen Sanwald und Pauer die Kneipe. Die Atmosphäre ist irgendwie bodenständig und warm, an der Wand hängen Schwarz-Weiß-Fotos und alte Filmplakate; es grüßen: Lou Reed, Marlon Brando und Clint Eastwood. Von der Wand werfen sie ihre zerknitterten Blicke auf einige Holztische; manche von ihnen sind reserviert, an anderen sitzen kleine und größere Gruppen. Vor fast jedem Gast steht ein Bier. Dann geht es an die Bar, bezahlt wird bar, eine Getränkekarte gibt es nicht. Das Angebot steht auf Tafeln oder hinter der Kühlschrankscheibe. Da gibt es zum Beispiel das "MaRi Bräu", ein süßlich herbes Craft Beer aus wildem Hopfen; oder die "Lynchburg Lemonade": Triple Shot Jack Daniels, Limette, Zitrone, Eis, Sprite. Preis: 9,50 Euro. Einmal läuft Sanwald von Tisch zu Tisch und verteilt Erdnüsse.

Während der Pandemie sei sie oft traurig an den dunklen Fenstern vorbeigelaufen, sagt Sanwald. Das Team vom Schwarzen Hahn gestaltete ein Buch, eine Hommage an diese Institution in der Münchner Kneipenszene, mit vielen Fotos und Zeichnungen von 120 Stammgästen.

Der Abend geht schnell vorbei, der Schwarze Hahn ist ein guter Ort, um unterhaltend die Zeit zu vergessen und dem Rock zu lauschen. Am Ende geht es noch auf die Herrentoilette. Auf die schwarze Decke sind Totenköpfe gemalt; über dem Edelstahl-Urinal hängen, natürlich, hunderte Sticker. Kein Quadratdezimeter, der nicht von ihnen übersät ist: "Astra: Lass es knollen", "Helleluja", "We need rehab". Darauf ein Prost.

Adresse: Ohlmüllerstraße 8, 81541 München, Telefon: 0173/3619237, Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 19 bis 1 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2021/vewo
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