Prozess in München:"Die Pille ist am Banküberfall schuld"

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Ein Polizeiauto in der Arnulfstraße. Hier hat ein 31-Jähriger im Mai 2019 eine Bank ausgeraubt.

(Foto: dpa)

Ein Angeklagter gesteht seine Tat zwar, beteuert aber vor Gericht, dass diese die Nebenwirkung eines Medikaments sei. Als "Hauptbeweis" präsentiert er den Richtern den Beipackzettel.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

Tarkan P. ist kaum zu stoppen. Er sitzt unruhig auf seinem Platz auf der Anklagebank und redet schnell und ziemlich laut. Es geht ihm darum, eines klar zu stellen: Dass er am 14. Mai 2019 eine Bank in der Arnulfstraße ausgeraubt hat, ja, das sei richtig, gesteht der 31-Jährige an diesem Donnerstagmorgen vor dem Landgericht München I. Aber dass es dazu kam, sei gar nicht seine Schuld. "Herr Vorsitzender, die Pille ist am Banküberfall schuld", versichert Tarkan P. den Richtern der 10. Strafkammer. Die Tat soll ein "Hilferuf" gewesen sein.

Gegen 17.40 Uhr an jenem 14. Mai betrat Tarkan P. unmaskiert die Bankfiliale und zeigte zwei Angestellten an einem Kassenschalter einen Lottoschein auf dessen Rückseite er geschrieben hatte: "In der Tasche ist eine Bombe! Geld her!" Gleichzeitig hielt P. eine Sporttasche in die Höhe, in der tatsächlich keine Bombe war. Die Bankangestellten jedoch nahmen die Drohung ernst und übergaben 13 210 Euro in Scheinen. Tarkan P. floh.

Tags darauf habe er sich stellen wollen, behauptet er. Doch bevor es dazu kam, wurde er in den frühen Morgenstunden des 15. Mai von Polizisten an der Donnersbergerbrücke festgenommen. Von der Beute fehlten 1120 Euro. Das Geld hatte P. nach dem Überfall in der Nacht in einem Bordell und einem Spielcasino ausgegeben. "Ohne die Pille wäre die Tat nicht geschehen", beteuert Tarkan P. immer wieder und wirft dabei böse Blicke zu einer psychiatrischen Sachverständigen, die ihm schräg gegenüber auf der anderen Seite des Gerichtssaals sitzt.

Vor dem Banküberfall war der 31-Jährige vom Landgericht München II zur Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik verurteilt worden. Im Internet hatte er in einem Chatroom den Eindruck erweckt, er sei Islamist. Nach Angaben seines Verteidigers Günter Reisinger ist P. jedoch kein Islamist. Sein Mandant sei damals vielmehr hochgradig psychotisch gewesen. Die Anordnung zur Unterbringung wurde später zur Bewährung ausgesetzt. Allerdings, so behauptet Tarkan P., habe die psychiatrische Sachverständige, die ihm nun gegenübersitzt, vor seiner Entlassung darauf bestanden, dass er weiterhin ein Medikament nimmt. Dessen Namen nennt er nicht. Er sagt immer nur Pille. Weil er unbedingt aus der geschlossenen psychiatrischen Einrichtung raus wollte, so P., habe er eben diese Pille geschluckt.

Am Morgen des 14. Mai 2019 wurde der 31-Jährige von seiner Partnerin nach einem Streit wegen seiner Spielsucht angeblich aus der Wohnung geworfen. Zu seiner Mutter habe er nicht gehen wollen. "Ich habe rumgelungert, wusste nicht, was ich machen soll", berichtet P. bei seiner Vernehmung. Wegen der Pille habe er sich krank gefühlt. Um sie nicht mehr nehmen zu müssen, habe er sich gedacht: "Ich ziehe die Reißleine" - gemeint ist der Überfall auf die Bankfiliale.

Nach der Festnahme des 31-Jährigen wurde die zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik widerrufen. Seither befindet sich Tarkan P. im Isar-Amper-Klinikum und weigert sich, jene Pille oder sonst ein Medikament zu nehmen. Als Beleg dafür, dass die Pille an allem schuld sei, präsentiert er den Richtern den Beipackzettel des Medikaments als "Hauptbeweis" und wedelt damit herum. Eine der Nebenwirkungen, liest Tarkan P. vor, sei, dass man Dinge tue, die man gar nicht tun wolle. Der Prozess wird fortgesetzt.

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