Süddeutsche Zeitung

Ausstellung im Isarforum:Ist das Kunst oder kann das weg?

Eine Banksy-Ausstellung in München - das macht neugierig. Eines aber sollte man wissen: Fast nichts darin wurde von dem gefeierten Briten geschaffen.

Von Jürgen Moises

Ein knappes Jahr ist es inzwischen her, da meldete sich der berühmte Street-Art-Künstler Banksy mit einem Instagram-Post aus dem Homeoffice. Dieser zeigte ein Bild von einem Badezimmer, in dem von ihm gemalte Ratten für ein Chaos sorgen. Zumindest sieht es so aus, als würden sie mit der Zahnpasta spielen oder auf die Klobrille urinieren. Banksys Kommentar dazu: "Meine Frau hasst es, wenn ich von zu Hause aus arbeite."

Ob das wirklich sein Badezimmer ist, das weiß man genauso wenig wie den bürgerlichen Namen Banksys, dessen Identität bis heute ein Geheimnis ist. Dafür kann, wer will, sich nun eine Kopie des Badezimmers anschauen, es also quasi in einer 3 D-Fassung studieren. Und zwar in einer Ausstellung im Münchner Isarforum mit dem Titel "The Mystery of Banksy - A Genius Mind. An Unauthorized Exhibition".

Mehr als 100 Motive des britischen Street-Art-Künstlers werden in der gut drei Monate später als geplant eröffneten Schau zusammengeführt, in Form von Graffiti, Fotografien, Skulpturen, Videoinstallationen oder Drucken. Dazu gehören verschiedene Ratten oder das berühmte Mädchen mit dem Luftballon, einmal ganz und einmal nachdem es bei Sothebys durch den Schredder fuhr. Man sieht Banksys Auseinandersetzung mit Warhol, mit der Mona Lisa, Arbeiten, in denen er den Umgang mit Flüchtlingen kritisiert, "Death Of A Phone Booth", eine Skulptur in Form einer zerknautschten Telefonzelle, oder das große Gemälde "Devolved Parliament", das Politiker als Affen zeigt und 2019 für die Rekordsumme von 9,9 Millionen Pfund verkauft wurde.

Hinzukommen Show-Elemente wie eine Multimedia-Projektion, die zentrale Motive von Banksy zusammenführt oder eine Nachbildung des Londoner U-Bahn-Waggons, in dem Banksy im Juli 2020 mit gesprayten Masken und Ratten sowie einer Textbotschaft seine Mitbürger zum Masken-Tragen aufrief.

Das Problem bei alledem, oder auch nicht: Fast nichts davon wurde von Banksy geschaffen, sondern alles von anonymen Künstlern reproduziert. Das heißt alles bis auf eine Weinflasche, die der Engländer für ein deutsches Weingut gestaltet und besprayt hat. Und dann so halb noch eine Fußmatte aus einem britischen Pop-Up-Store, die Banksy in Kooperation mit einer Flüchtlingsinitiative kreiert hat. Oder die kleinen Skulpturen, die als Souvenirs aus dem "Walled Off Hotel" in Palästina stammen, das der Künstler 2017 dort eröffnet hat. Und dann gibt es, wie es im Ausstellungstext heißt, noch "einige Originale, die eigens für diese Sonderschau reproduziert" wurden. Aber Moment mal: Sind sie nun original oder kopiert?

Fragt man das den mexikanischen, in Berlin lebenden Künstler und Ausstellungskurator Guillermo S. Quintana, oder auch, ob man hier nicht mit unerlaubt kopierten Banksy-Motiven Geld mache, dann sagt dieser: dass er solch kritische Fragen liebe. Um dann unter anderem mit dem Banksy-Satz "Copyright is for losers" zu kontern. Dass derselbe Banksy 2014 unerlaubte Street-Art-Ausstellungen als "widerlich" bezeichnet hat und auf seiner Webseite vor Banksy-Fake-Ausstellungen warnt: Who cares? Weitere Argumente von Quintana: "Wir alle sind Banksy", also gehören seine Motive uns.

Die humanistischen Botschaften seien wichtiger als die Bilder. Und dann gäbe es recht viele Menschen, die sehr ungern reisen. Und diesen würden die Reproduktionen nun das Gefühl geben, vor einem echten Banksy-Werk zu stehen. Diesen Placebo-Effekt durfte man schon in zahlreichen Städten erleben, da die von einer rumänischen Firma produzierte Schau mit variierten Titeln und Inhalten schon seit Jahren durch die Lande tourt. Als lokaler Ko-Produzent fungiert die Firma Cofo Entertainment aus Passau, die neben Musicals wie "Die Udo Jürgens Story" oder "Die ABBA-Story" unter anderem auch die Ausstellung "Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze" nach München gebracht hat. Das alles sind Events, die auf massenkompatible Art Ersatzbefriedigung schaffen, indem sie Songs und Bilder, Stars und Hits reproduzieren.

Nicht viel anderes passiert hier im Fall von Banksy. Wobei man immerhin sagen kann, dass vor allem der Katalog recht solide über dessen Laufbahn und Werke informiert. Trotzdem: 17 oder 18 Euro Eintritt (am Wochenende) für Placebos sind ein stolzer Preis. Und damit man in der frechen Hommage am Ende nicht eine echte Frechheit sieht, sollte man wissen, was einen erwartet.

The Mystery of Banksy - A Genius Mind, verlängert bis 3. Oktober, Isarforum des Deutschen Museums

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, "nichts davon wurde von Banksy geschaffen, sondern alles von anonymen Künstlern produziert". Das stimmte nicht ganz - ein Leihgeber machte uns darauf aufmerksam, dass die Ausstellung eine Weinflasche zeige, die der Künstler selbst gestaltet und besprayt habe.

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SZ vom 12.03.2021/van/amm
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