Harold Faltermeyer ist ergriffen, voller Respekt für den Künstlerkollegen. „Das ist extrem berührend“, sagt der Schöpfer von zig unsterblichen Filmmusiken und zeigt ins Ausstellungsrund: „Bei jedem Bild fühlt man sich ertappt. Das ist so unvorstellbar aufmerksam, ein Spiegel unserer Zeit. Er ist der größte Street-Art-Künstler unserer Zeit. Nie ist das so tief gelebt worden wie bei ihm.“
Und Faltermeyer setzt hinzu: „Ich würd’ ihn gern einladen, aber er kommt ja eh nicht.“ Die Rede ist natürlich von Banksy, dem berühmtesten unbekannten Großkünstler des Planeten. Mehr als 200 seiner gefeierten Motive sind bis Ende Oktober in der Ausstellung „House of Banksy – An Unauthorized Exhibition“ zu sehen, und das an einem Ort, den jeder Münchner kennt, an dem er aber ewig nicht mehr war – Galeria Kaufhof am Stachus, dem berühmtesten Leerstand der Stadt.
Es hat schon eine ironische Note, dass in diesem zum Nicht-Ort mutierten Ex-Kaufhaus nicht nur endlich wieder was los ist, sondern dass es gleich um die populärsten Graffiti der Welt geht. Nur logisch, dass die Ausstellung im „B-Tween“, im Untergeschoss, Platz gefunden hat, denn im Untergrund ist der britische Künstler zeitlebens zu Hause. Graffiti, Fotografien, Skulpturen, Videoinstallationen und Drucke auf Leinwand, Holz, Aluminium, Gips, Beton, Backstein und Plexiglas hat Ausstellungsmacher Oliver Forster reproduzieren und von Kuratorin Virginia Jean in 16 Räumen auf 2300 Quadratmetern inszenieren lassen. Originale sind nicht zu sehen, da bräuchte es eine Heerschar von Security-Beamten.
Nicht zu zählen sind die Geschichten rund um Banksys Werke, die zum Teil übermalt, zerstört oder aus der Wand gerissen worden sind. „80 Prozent der Ausstellung existieren im Original nicht mehr“, erklärt Jean. Umso schöner sei es, dass man sie nun der Menschheit zurückgeben könne. Bei Sotheby’s und Christie’s sprengen die Werke längst alle Rekorde. Als teuerster Banksy gilt mit knapp 22 Millionen Euro seit Oktober 2021 „Love is in the Bin“, eine Version von „Girl with Balloon“, die sich nach einer Auktion teilweise selbst schredderte – wer kommt denn auf so was?
So einen kann man nur lieben, und so wundert es nicht, dass es in der Feiergesellschaft von Detlef Bothe über Stephanie Gräfin von Pfuel bis Marcel Reif vor Banksy-Fans nur so wimmelt. Stadtrat Lars Mentrup (SPD) gibt zu, dass er sich darum gerissen hat, als Vertreter des Oberbürgermeisters das Grußwort zu sprechen: „Banksy ist mehr als ein Künstler: ein Phänomen. Er fordert uns auf, hinzusehen, nachzudenken und zu handeln.“

Auch Collien Ulmen-Fernandes schwärmt: „Seine Themenauswahl ist toll. Ich mag es, wenn Kunst gesellschaftliche Themen aufgreift. Seine Themen sind hart, immer relevant und haben dennoch etwas Spielerisches. Und er hat Humor.“ Für die Fotografen nimmt sie eine Spraydose in die Hand und zielt auf eine Reproduktion des berühmten „Flower Thrower“. Dabei hat sie nie gesprayt: „Ich war die einzige in meiner Clique, die nicht gesprayt hat. Die haben mich nie mitgenommen.“ Ihr Lieblings-Banksy?„Mediterranean Sea View“, auf den ersten Blick ein hübscher Sonnenuntergang über dem Meer, im dramatischen Lichtspiel-Stil William Turners, doch im Vordergrund erkennt man angespülte Schwimmwesten, die offenbar keine Flüchtlingsleben retten konnten. Faltermeyer hat recht: Man fühlt sich ertappt.
Comedian Simon Pearce ist ebenfalls Fan: „Ich war nie besonders kunstinteressiert, aber den finde ich wahnsinnig spannend. Vielleicht weil ich aus dem Hip-Hop komme, und da ist es nicht weit zur Street-Art. Über den wird man in 300 Jahren noch reden. Das hier ist ein Stück Zeitgeschichte, und wir können das erleben. Ich könnte mir auch vorstellen, dass heute noch was passiert, würde ich ihm zutrauen – oder ihr. Vielleicht ist es ja meine Frau, und ich weiß es einfach nicht. Durchgeknallt genug wäre sie…“ Auch Faltermeyer kann sich Banksy als Frau vorstellen, „vom Bildstrich her“. Wir werden es erfahren, eines Tages, vielleicht. Und wenn nicht? Halb so wild. Solange wir, wie die Kuratorin sagt, „mit einem Gefühl der Veränderung rausgehen“.