Das geht raus an alle Hip-Hop- und Rapfans: Bei Konzerten und Events immer auf die Goldkette achten – oder sie erst gar nicht anlegen! Denn laut Kriminalpolizei handelt es sich um ein bundesweites Phänomen, bei dem organisierte Banden sogar aus dem Ausland anreisen, um Festival-Besuchern die Preziosen vom Hals zu reißen. So geschehen etwa beim Contact Festival im vergangenen Jahr im Zenith. Drei Männer aus Genua wurden deshalb nun vom Amtsgericht zu Haftstrafen von mehr als drei Jahren verurteilt.
Folgt man der Einlassung der Verteidigung, so sitzt mit Marco S. das einzige schwarze Schaf auf der Anklagebank; die anderen beiden: Unschuldslämmer. Zumindest erklärt Rechtsanwalt Hannes Liedl, dass sein Mandant ohne Wissen der anderen in der Nacht des 8. Dezember 2024 drei Festival-Besuchern die Goldketten vom Hals gerissen habe. Alle drei Freunde seien Techno-Fans und zum Feiern von Genua nach München gereist. Die anderen hätten gar nicht mitbekommen, dass er die Diebstähle begangen habe. „Ich möchte mich bei allen entschuldigen, auch bei den anderen, die meinetwegen in Haft sitzen“, sagt der 29-Jährige auch noch artig.
Einen guten Blick müssen Marco S. – oder seine Kollegen – auf alle Fälle gehabt haben. Denn die Goldkette mit dem Kreuzanhänger von Timo B. (Name geändert) hing nicht protzig an seiner Brust, sondern war unter dem T-Shirt versteckt. Er spürte nur einen Ruck am Hals, sah eine Hand, und als er sich umdrehte, sah er nichts. „Ich hätte nicht sagen können, wer es gewesen ist“, erzählt er vor Gericht. „Schnell und professionell“, so beschreibt der zweite Geschädigte den Schmuckraub. Er wie auch auch der dritte Zeuge sagen, dass sie seitdem „viel besser aufpassen“ und keinen wertvollen Schmuck mehr in der Öffentlichkeit tragen. Ein 27-jähriger Projektmanager behauptet sogar, die Kette sei ein Taufgeschenk gewesen, 200 bis 300 Gramm schwer, aus 985er-Gold und heute sicher „an die 20 000 Euro wert“. Die Kette sei so massiv gewesen, dass er durch den Ruck nach hinten gestolpert sei.
Den Modus Operandi der Ketten-Diebe kennt der Kripomann im Zeugenstand nur zu gut. Er erzählt von Tatvideos, wo klar zu sehen ist, dass mindestens zwei Täter schräg hinter dem ausgespähten Opfer stehen, „manchmal haben sie Kapuzen übergezogen oder das Handy am Ohr, um das Gesicht zu verdecken“, während ein Dritter in der Mitte durchgreift und an der Kette zieht. Dreht sich der Geschädigte um, schließen die Komplizen sofort die Lücke und decken den Täter ab.
So geschehen auch im Zenith bei drei Konzerten der Rapper Reezy, Soho Bani und Ufo361. Die ermittelten Tatverdächtigen in diesen Fällen würden alle aus Genua stammen. Die Hallenbetreiber, so erzählt der Polizist weiter, seien auch bereit, Videokameras zu installieren. Aber in der dunklen Halle, die bei Konzerten von Rauch und Lichtblitzen durchzogen wird, sei das vergebens.
Die drei angeklagten Italiener im Alter von 29 bis 33 Jahren wurden übrigens nicht im Zenith ertappt: Interpol Rom meldete sich bei den Münchnern, man habe am Tag der Taten am Autobahnkreuz Genua ein Auto kontrolliert, zumal der Wagen in Zusammenhang mit Drogen- und Waffengeschäften stehe. Bei der Durchsuchung von Auto und Männern hätte man bei Marco S. in der Unterhose eine Zigarettenschachtel gefunden, in der sechs Goldketten deponiert waren. Und die Handyauswertungen hätten ergeben, dass sich das Trio von 0.25 bis 4.30 Uhr im Zenith befunden hätten – genau zu den Tatzeiten.
Alle drei Verteidigerinnen und Verteidiger betonen, dass es keine Beweise für eine bandenmäßige Struktur gebe und einer ja schon gestanden habe. Aber das Schöffengericht folgt den Ausführungen von Staatsanwalt Marco Ottaviano. Dass die drei von Genua nach München reisen, um nur vier Stunden auf einem Festival zu verbringen, das etwa 17 Stunden geht, sei „lebensfremd“. Durch das eine Geständnis habe man versucht, die „bandenmäßige Struktur“ wegzubekommen, da die mit höherer Strafe bewährt sei. Wegen schweren Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung verurteilte das Gericht zwei der Männer zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, sechs Monaten und den Geständigen zu drei Jahren und vier Monaten.

