Corona-Politik:Mehr Bamberg wagen

Coronavirus · Unterricht in einer Schulklasse

Viele Münchner Kinder brachen an diesem Montag in die Betreuungs- und Bildungseinrichtungen auf - obwohl die vom RKI ermittelte Inzidenz inzwischen den Wert 126,9 erreicht hat.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Die Inzidenz liegt deutlich über 100 und trotzdem bleiben Schulen und Kitas geöffnet. Konsistent ist das nicht - und München hätte es wohl verhindern können. Eine Stadt 200 Kilometer weiter nördlich zeigt, wie.

Kommentar von René Hofmann

Maßgebliche Figuren der Münchner Politik hatten in der vergangenen Woche die richtige Einschätzung: Wegen der steigenden Infektionszahlen und der unzuverlässigen Datenlage erschien es zweifelhaft, sich bei der Frage, welche Corona-Regeln in der Stadt gelten sollen, allein auf den vom Robert-Koch-Institut (RKI) ermittelten Wert zu stützen - gerade bei den Vorgaben für die Kindergärten und Schulen.

Neben der richtigen Einschätzung hatten sie sogar den richtigen Impuls: Sie fragten extra noch einmal nach beim Freistaat, ob dessen Regeln wirklich keinen Spielraum zuließen, ob es - so lange der RKI-Wert am Stichtag nicht höher als hundert stehe, tatsächlich angezeigt sei, für die Kitas eingeschränkten Regelbetrieb zu verordnen und für die Schulen Wechselunterricht statt Notbetreuung und Distanzunterricht. Die Antwort war klar: kein Spielraum! Der zweite Punkt im ersten Absatz des 18. Paragrafen der zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung regle dies eindeutig.

So kam es, dass viele Münchner Kinder an diesem Montag in die Betreuungs- und Bildungseinrichtungen aufbrachen. Weil die Regeln für diesen Bereich immer für eine Woche gelten, wird das auch bis Freitag so weiterlaufen - obwohl die vom RKI ermittelte Inzidenz inzwischen den Wert 126,9 erreicht hat und - nachdem eine Datenpanne aufgeklärt ist - ab Mittwoch die sogenannte Notbremse greift und in vielen anderen Bereichen wieder verschärfte Corona-Regeln gelten. Mit viel gutem Willen lässt sich das nachvollziehen, konsistent ist es nicht. Und dass sich inzwischen gezeigt hat, dass es auch anders hätte gehen können, lässt weitere Fragen keimen.

Die Entscheidungsträger in Bamberg wirken entschlossener. Sowohl die Stadt als auch der dortige Landkreis befanden sich Ende vergangener Woche in einer ähnlichen Situation wie die Stadt München: Der Inzidenzwert näherte sich bedrohlich der Hunderter-Marke, erreichte diese aber knapp nicht. Obwohl Eltern Druck aufbauten, wurde eine Allgemeinverfügung erlassen, in der Distanzunterricht vorgeschrieben wurde. Wie das möglich war? Statt nachzufragen, hatten die Verantwortlichen in der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung weitergelesen - bis Paragraf 28, in dem es zu den Vorgaben des Freistaats heißt: "Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können (...) im Einzelfall ergänzende Anordnungen erlassen, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist." Bis Montag blieb dies unbeanstandet.

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