Süddeutsche Zeitung

Schlager:"Ich will ein Bier von Dir"

Was in Großraumdiscos auf Mallorca funktionieren soll, muss als Zeile auf ein T-Shirt passen. Andreas Kiris alias Andi Kiss hat lange davon geträumt, seine Stimmungslieder wie "Suffia" auf dem Ballermann zu singen - nun ist es so weit.

Von Carolin Fries

Sieben Mal war Andi Kiss in den vergangenen Jahren auf Mallorca, hat zugesehen, wie die Ballermann-Stars Tim Toupet, Peter Wackel oder Richard Bier mit ihren Songs von grölenden Fans gefeiert wurden - und sich heimlich an ihre Stelle gewünscht. Einmal im "Bierkönig" an der Schinkenstraße auftreten. Das ist sein großer Traum, seit er vor vier Jahren begonnen hat, promillehaltige Stimmungshits zu schreiben. Mit "Suffia" scheint ihm nun der Durchbruch gelungen zu sein. Obwohl der Titel erst vor wenigen Wochen rauskam, hat man den 36-Jährigen für das Saisonfinale am 19. Oktober in der Großraumdisco gebucht. Bis zu 10 000 bierlustige Besucher werden an der Schinkenstraße erwartet.

Andi Kiss, der eigentlich Andreas Kiris heißt, kann sein Glück kaum fassen. "Normal ist das nicht, gleich als Newcomer gecastet zu werden", sagt er. Aber "Suffia" sei nun mal phänomenal gut, tausendmal besser als sein Ballermann-Debüt "Irgendwas mit Saufen" oder der Song "Jung, ledig, besoffen", den er im vergangenen Jahr rausbrachte. Der Refrain auf eine fesche Kellnerin "Suff, Suff, Suff, Suffia" - ich will ein Bier von Dir", fiel ihm mitten in der Nacht daheim auf dem Sofa ein. Er habe gleich gewusst, "das ist meine Zehn von Zehn".

Die Zeile sei eingängig, witzig, nicht zu kompliziert. Im Hort in Gilching, wo er auf Minijob-Basis als Musiker angestellt ist, hat er es noch einmal getestet. "Es ist wirklich so, alle sagen Suffia anstatt Sophia." Weil für einen Hit am Ballermann eine gute Zeile reicht - da macht der Mann aus Weßling gar keinen Hehl draus -, war der Titel gleich produziert. Erich Öxler von Hitmix Music soll ihn "Du alte Hitmaschine" genannt haben, nachdem er "Suffia" zum ersten Mal gehört hatte.

Tatsächlich geht der Song durch die Decke, jedenfalls in der Parallelwelt am Ballermann. Knapp 34 000 monatliche Hörer hat der Titel auf Spotify, ist auf 4000 Playlists vertreten - und natürlich auf dem Oktoberfest-Sampler. An einem gewöhnlichen Samstag hören ihn etwa 7000 Menschen. Auf Instagram und Facebook kriegt Andi Kiss reihenweise Kuss-Smileys geschickt oder Videos von trinkenden Fans. "Das habe ich so noch nie erlebt", sagt Kiss.

Er hat sich die Rechte an "Suffia" gesichert, durfte deshalb mitreden, als die ersten T-Shirts gedruckt wurden. Aktuell will das Unterhachinger "Rammlerbräu" ein "Suffia"-Bier produzieren. "Warum nicht, just for fun", kommentiert der Musiker aus Weßling. Er freut sich über Unterstützung aller Art. Als Belohnung verteilt er "Kümmerling"-Sonnenbrillen und -hüte sowie die 400 kleinen Kräuterliköre, die er wohl wegen der Liedzeile "Ich hab Kümmerlinge in meim' Bauch, und sie sagt, sie spürt es auch" nach Weßling geschickt bekommen hat.

Text aus „Jung, ledig, besoffen“

"Trinkst Du mich heut' untern Tisch, dann bist Du perfekt für mich. Wird bei Dir das Bier nie schal, bist Du meine erste Wahl."

Geht es um seine Schlagerkarriere, wirkt Andi Kiss wie berauscht - auch wenn er, wie er sagt, nur bedingt partytauglich ist und kaum Alkohol verträgt. Er hat an einer Privatschule in München Musik und Komposition studiert, seither gibt er nachmittags Gitarrenunterricht und bastelt vormittags an seiner Musikerkarriere. Rock und Pop à la Die Ärzte habe er ursprünglich machen wollen, in jedem Fall Musik mit deutschen Texten. "In Englisch ist meine Stimme bäh", sagt er.

Kiss schrieb mehr als hundert Songs mit Titeln wie "Kopfkino" oder "Sommerschlussverkauf im Winter", manche hat er an Radiosender geschickt, manchmal wurde eins gespielt. Doch meist mischte er daheim Schlagzeug, Gesang, Gitarre und Bass zusammen, ohne dass das Ergebnis die Musikindustrie beeindruckte. 2015 schrieb er dann "Jogginghose um den Hals" - und Erich Öxler, aus dessen Feder der Hit "König von Mallorca" stammt, bot ihm an, Ballermann-Musik zu machen. "Da hatte ich Bock drauf", erzählt Kiss. Sein Anspruch: "Lieder, hinter denen ich hundertprozentig stehen kann." Interessant.

Ballermann - das sei eine Lebenseinstellung, sagt Kiss. Eine große Gemeinschaft von "Leuten, die eine gute Zeit haben wollen". Nein, seine Lieder seien nicht tiefsinnig, eine gewisse Arbeit stecke trotzdem dahinter, will man wie Kiss zumindest ein Wortspiel unterbringen. Er hat es mit "Lieber voll als nicht ganz dicht" probiert, doch sich mit der Konjunktion in der Hauptzeile überschätzt - grammatikalisch zu kompliziert für den Ballermann. Was hier funktioniert, muss als Zeile auf ein T-Shirt passen.

"Ideen habe ich noch viele, da mache ich mir keine Sorgen." Jetzt aber genießt er erst einmal den "Suffia"-Hype. Aus den zuletzt zwei Auftritten im Monat mit seinem zwanzigminütigen Programm bei Volksfesten oder in Großraumdiskotheken werden wohl bald mehr werden. Echte Ballermann-Profis würden für bis zu 300 Auftritte im Jahr gebucht. Andi Kiss wäre bereit. Er hat gelernt, gleichzeitig über die Bühne zu springen und zu singen, Hut und Sonnenbrille sind seine Erkennungsmerkmale.

Wenn es klappt, so hat er es mit seiner Verlobten ausgemacht, dann steht der zweite Name fürs erste Kind schon: "Suffia". Egal ob Mädchen oder Junge.

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SZ vom 11.10.2019/syn
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