Verbotenes Klettern auf Bahnwaggons:„Wir haben 24 Stunden Strom auf den Oberleitungen“

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Nachdem er auf einen Kesselwagen geklettert war, erlitt ein 19-Jähriger in Trudering schwere Verletzungen. Er starb später im Krankenhaus. (Foto: Bundespolizei)

Immer wieder machen sich Jugendliche einen Spaß daraus, verbotenerweise auf abgestellte Bahnwaggons zu klettern. Erst kürzlich endete einer dieser Fälle in München tödlich. Die Deutsche Bahn ist bemüht, Aufklärung zu betreiben.

Von Tanja Munsch

Unfälle mit Stromschlägen, weil Jugendliche auf abgestellte Zugwaggons klettern, häufen sich aktuell in München und im Landkreis. Drei Vorfälle mit verletzten Jugendlichen gab es in den vergangenen Wochen, ein 19-Jähriger kam ums Leben.

Auf einen abgestellten Kesselwaggon im Bahnhof Trudering kletterten zwei 19-Jährige aus München in der Nacht zum 7. Juli. Eine Polizeistreife in der Nähe sah den beim Stromschlag entstandenen Spannungsbogen und hörte Schreie. Einer der beiden Jugendlichen blieb bewusstlos auf dem Dach des Waggons liegen. Ihn hatte ein Stromschlag aus der Oberleitung getroffen.

Nachdem der Strom abgeschaltet und die Gleise gesperrt waren, konnten die beiden jungen Männer vom Dach gerettet werden. Der 19-Jährige, den der Stromschlag getroffen hatte, erlitt Verbrennungen zweiten Grades auf 70 Prozent seiner Körperoberfläche. Er starb wenige Tage später im Krankenhaus. Sein Freund trug leichte Schürfwunden davon.

Der Fall aus München ist nicht der Einzige. In der Nacht des 13. Juli erlitt ein 15-Jähriger am Bahnhof Feldkirchen schwerste Verbrennungen, weil er ebenfalls auf einen Kesselwaggon geklettert war. Er befand sich zusammen mit zwei Freundinnen auf dem Heimweg vom Volksfest in Poing und habe von dem Waggon herunter urinieren wollen, heißt es von der Polizei. Der Jugendliche zog sich starke Verbrennungen an Beinen und Kopf auf 40 Prozent seines Körpers zu.

Im dritten Fall handelt es sich um einen 14-Jährigen, der am Abend des 4. Juli in Wolfratshausen auf einen Kesselwaggon kletterte und in die Oberleitung griff. Er stürzte nach einem Stromschlag rund fünf Meter in die Tiefe. 80 Prozent seiner Körperoberfläche waren verbrannt. Einer seiner zwei Freunde, die mit ihm auf die Waggons kletterten, verletzte sich ebenfalls schwer. 

Einen eindeutigen Grund, warum sich die Fälle aktuell häufen, gibt es nicht. Zunächst vermuteten einige Medien dahinter eine Tiktok-Challenge, wie im Fall einer 13-Jährigen in Nordrhein-Westfalen Anfang Juli. Eine Verbindung der drei Unfälle mit einer solchen Challenge konnte die Polizei in den drei Fällen in und um München jedoch nicht bestätigen. Sie seien aus der Situation heraus entstanden.

Bahnanlagen abseits von gekennzeichneten Wegen und Bahnsteigen zu betreten, ist lebensgefährlich. „Wir haben 24 Stunden Bahnbetrieb und damit 24 Stunden Strom auf den Oberleitungen“, sagt Mohammed Ben Hamouda, Präventionsbeauftragter bei der Deutschen Bahn. Durch die Oberleitungen fließen 15 000 Volt, das sind 65 Mal mehr als durch die Steckdose zu Hause. Einen Stromschlag kann man auch bekommen, ohne die Oberleitung zu berühren. Ein sogenannter Lichtbogen kann dabei überspringen. Daher muss ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu den Oberleitungen eingehalten werden.

In Bahnanlagen kann außerdem stets ein Zug auf den Gleisen fahren. „Sie sind mittlerweile so leise, dass man sie nicht immer rechtzeitig hört.“ Züge, die aus einer Kurve kommen, sieht man zudem ebenfalls nicht früh genug. Der Bremsweg eines Zuges kann bis zu 1000 Meter lang sein. „Häufig zeigen Gespräche, dass Jugendliche sich der Gefahren nicht bewusst sind“, sagt Ben Hamouda.

Deswegen sind Aufklärung und Prävention umso wichtiger. Die Bahn geht dafür beispielsweise in Schulen oder klärt mit Videos in den sozialen Medien über die Gefahren auf. Aber auch Eltern sind in der Verantwortung, mit ihren Kindern darüber zu sprechen.

Zusammen mit der Bundespolizei hat sich die Deutsche Bahn bei einer Ortsbesichtigung die betroffenen Bahnhöfe angeschaut. Dabei wurde auch auf beschädigte Warnschilder geachtet und geschaut, wo Zäune sinnvoll sein können. Es sei geplant, große Banner aufzuhängen, die vor der Lebensgefahr durch Strom warnen. Überdies plane die Deutsche Bahn, nach den Sommerferien in die betroffenen Schulen zu gehen.

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