Wer den Regionalzug von und nach Mühldorf, Salzburg oder Kufstein nimmt, steigt oft nicht am Haupt-, sondern am Ostbahnhof aus und ein. Zwischen den beiden Stationen fahren die Züge mit vielen freien Plätzen im Bogen ums Stadtzentrum herum. Die Idee, diese Ringlinie mit einem Halt an der Poccistraße ins Münchner Netz einzubinden, ist bald 20 Jahre alt, kommt aber nicht recht voran - ganz zu schweigen vom Ausbau des Bahn-Südrings.
Nun zeichnet sich fraktionsübergreifende Unterstützung für eine vielleicht schneller machbare Lösung unter Einbeziehung des Kolumbusplatzes ab: Zwischen Nockherberg und Kolumbusplatz, zwischen Au-, Unter- und Obergiesing, verläuft die Bahnlinie in einem Geländeeinschnitt, der für zwei Bahnsteige Platz böte. Das Konzept eines provisorischen Haltepunkts hatte kürzlich der Verkehrsclub Deutschland (VCD) vorgestellt. Die drei beteiligten Bezirksausschüsse (BA) reichen es auf Antrag der Grünen und der SPD an die Stadt weiter. Parallel hat die Stadtrats-CSU einen ähnlichen Antrag gestellt.
Der Halt wäre an die U-Bahn am Kolumbusplatz (U1, U2) ebenso angebunden wie an die Bus- und Tramhaltestellen am Ostfriedhof. Direkt erschließen könnte er auch die neuen Wohngebiete des früheren Paulaner-Geländes an der Reger- und Welfenstraße. Wie BA-Antragsteller Norbert Weigler (Grüne) und Wolfram Liebscher vom VCD erklären, fahren auf der Strecke im Tagesschnitt durchschnittlich drei Regionalzüge pro Stunde, die dort jeweils 45 Sekunden halten könnten.
Alle Brems-, Beschleunigungs- und Pufferzeiten mit eingerechnet, würde - bei optimierten Fahrplänen - auch der Schnellzugverkehr nicht ausgebremst, wie Liebscher ausgerechnet hat. Der Güterverkehr auf der Strecke dürfte nach Einschätzung des VCD weiter abnehmen, da er verstärkt östlich ums Stadtgebiet herum geleitet werden soll. Die Bahnsteige sieht das Konzept in Leichtbauweise vor. Klimaschädliche Betonfundamente, Bodenversiegelung, Baumfällungen und andere Eingriffe könnten so vermieden werden - und mit ihnen ein aufwändiges Planfeststellungsverfahren.
Plattformen aus Metall, Barrierefreiheit über Rampen
Derartige Konstruktionen sind mit der Bahn generell durchaus machbar: Am Bahnhof Jena-Paradies nutzten während eines Umbaus sogar ICE-Passagiere ein hölzernes Provisorium. Für den Halt im Münchner Osten schwebt den Antragstellern eine Metallkonstruktion vor, die der Witterung länger standhalten dürfte. Die Seitenbahnsteige sollen danach zwischen der Straßenüberführung zum Nockherberg und der eisernen Fußgängerbrücke zum Kronepark ("Schmederersteg") gebaut werden.
Von diesen Übergängen aus würden sie über Treppen erschlossen, eventuell zusätzlich über einen bestehenden Abgang vom westlichen Ende der Nockherstraße. Ebenerdig ließe sich zumindest der südseitige Bahnsteig vom Kolumbusplatz her erreichen, weitere barrierefreie Zugänge könnten über Rampen geschaffen werden. Einen Lift sieht der Antrag nicht vor, da dieser die Realisierung verzögern würde.
Für eine rasche Umsetzung der provisorischen Haltestelle plädieren die Lokalpolitiker fast einhellig: Der BA Untergiesing-Harlaching winkte das Konzept ohne Debatten oder Gegenstimmen durch. Im Nachbarbezirk Au-Haidhausen, auf dessen Gebiet der Halt läge, stimmte allein die Linken-Fraktion gegen den Antrag. Sie erachte die Pläne als "völlig aussichtslos", wie Brigitte Wolf sagte, die auf die Beschlusslage zur Poccistraße verwies.
Eine zusätzliche Haltestelle am Kolumbusplatz sei jedoch nicht als Konkurrenz dazu zu verstehen, erwiderte Nina Reitz (SPD). Zudem lasse sie sich deutlich schneller umsetzen. "Für diesen Stadtteil wäre das eine wunderbare Verbesserung", betonte Reitz. Die Obergiesinger Kollegen haben den Antrag zwar noch nicht im Plenum beschlossen, ihn aber sehr wohlwollend vorberaten: "Ich sehe es sehr positiv, und der Unterausschuss, in dem alle Fraktionen vertreten sind, auch", so der Vorsitzende des Verkehrs-Untergremiums, Klaus Neumann (SPD).