München:"Free & Easy"-Festival eröffnet zum 25. Mal im Backstage

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Der "Rock'n'Roll Wrestling Bash" gastiert mit seinen Ringern, Musikern und Tänzerinnen regelmäßig im Backstage, beim "Free & Easy" gibt es das Spektakel kostenlos. (Foto: Bjørn Jansen)

Bei freiem Eintritt gibt es zweieinhalb Wochen lang Konzerte, Partys, Vorträge, Kino und mehr.

Von Michael Zirnstein

Wenn man einmal nachzählt seit der Premiere im Jahr 1995, dann müsste das heute beginnende "Free & Easy"-Festival das 25. sein. Einen Grund, besonders wild zu feiern, sieht man im veranstaltenden Backstage-Team allerdings nicht, ist sich eh nicht ganz sicher, ob's nicht vielleicht doch erst Nummer 23 oder 24 wird.

Und danach gefragt, wie es denn mit dem drohenden Umzug eines Backstage-Teils samt aller Unannehmlichkeiten aufs benachbarte Gelände stehe und den gewiss mit Lärm verbundenen Baumaßnahmen zur neuen S-Bahn-Trasse nebenan, heißt es dort nahezu nüchtern: "Die nächsten fünf Jahre bleiben wir auf dem aktuellen Gelände, das ist jetzt fix." Bei so einer Freudenbotschaft hätte man früher mindestens ein Fass aufgemacht und einen Ochsen gegrillt in Münchens großem Indie-Kulturzentrum.

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Stimmt gar, was der alte Punkrocker C. J. Ramone sagt? "Was wir in unserer Jugend liebten, verliert oft seine Kraft, wenn wir alt werden." Derlei Altersgebrechen freilich schließt der Bassist, der von 1989 bis 1996 in zweiter Generation bei den sagenhaften New Yorker Punkrockern Bass spielte, für sich selbst aus und ebenso für sein neues Album "Holy Spell", das er gleich zu Beginn des "Free & Easy 2019" vorstellt (18. Juli). Dass mit Marky Ramone ein weiteres Ramones-Mitglied mit seiner Band Blitzzkrieg drei Tage später ein weiteres Konzert gibt, spricht zumindest für den Überlebenswillen im vergreisenden Rock-Metier, wenn auch nicht für den Zusammenhalt.

Man könnte den Rock in einer späten Midlife-Krise sehen. Einen Beleg könnte man darin sehen, dass Robert Ehrenbrand, bunt tätowierter Bassist der US-Hardcore-Band Boy Sets Fire mit Wohnsitz in München, am 27. Juli auf dem "Free & Easy" wieder eine Gratis-Yogastunde abhält (die allerdings ziemlich rockig-hart wird).

Der Soziologe und selbsternannte Querdenker Rainer Sontheimer befasst sich mit dem Ende der jugendlichen Wildheit in einer Vortragsreihe im Rahmen von "Free & Easy Politics": Er zeigt (am 24. Juli), warum Rocker - zumindest tendenziell - "Spießbürger" sind, auf Heavy-Metal-Kreuzfahrten urlauben und sich in "Green Camping"-Zonen auf Open-Airs sauber und behaglich einrichten. Der Konservativismus geht so weit, dass der Heimat-Begriff auch in der Musik wieder wichtig wurde und ebenso - der schlimmere Fall - der Rechtsrock aufwallt. Mit beiden Phänomenen befasst sich Sontheimer in weiteren Vorträgen (22. und 30. Juli).

Die Themen sind gut gewählt. Geriet doch das Backstage bisweilen unter öffentlichen Beschuss, als dort homophobe Künstler auftraten oder solche mit dem Weltbild von Herrenmenschen. Bei 500 Konzerten im Jahr sicherlich die Ausnahme. Das Backstage ist nach dem Konzept seines Gründers Hans-Georg Stocker Refugium für viele Untergrundkulturen von Reggae über Hip-Hop bis Punk und Metal - da sei es quasi unmöglich bei 500 Konzerten und 1500 Bands im Jahr jede dunkle Ecke auszuleuchten. Und wenn ein Tunichtgut durchrutscht, schreitet er unter einem Banner mit durchgestrichenem Hakenkreuz aufs Gelände.

Beim "Free & Easy" zeigt sich das Backstage von seiner offensten Seite. Täglich gibt es bei freiem Eintritt einen Kultur-Rummelplatz zu besuchen: mit Kinofilmen von spaßig bis ernst (etwa die Doku "Kleine Germanen"), Lesungen wie von der Autorengruppe Agati ("düstere Unterhaltungshäppchen", 21. Juli), Nonsens wie der 16. Deutschen Luftgitarremeisterschaft (27. Juli) oder den Schau-Ringkämpfen des "Rock'n'Roll Wrestling Bash" (19. Juli), Kabarett von Willy Nachdenklich (der durch die Internetseite "Nachdenkliche Sprüche mit Bilder" die "Vong"-Sprache populär machte; 27. Juli), einem Punk-Flohmarkt zugunsten der Flüchtlings-Seenotretter (21. Juli) und Partys jeden Abend nach 23 Uhr.

15. Deutsche Luftgitarrenmeisterschaft im Backstage MUE, München, 28.07.2018: 15. Deutsche Luftgitarrenmeisterschaft im Backstage. Foto: Lukas Barth (Foto: lukasbarth.com)

Herzstück sind ein gutes Dutzend Konzerte täglich im Werk, in der Halle, im Club und auf der Open-Air-Bühne. Da drehen junge Durchstarter auf wie die inzwischen TV-bekannten Blackout Problems (30. Juli) oder die österreichischen Beatboxer Wiener Blond (18. Juli), die "Kraut und Rüben des Austro-Pop". Aber freilich auch alte Weggefährten des Backstage wie Rastmann Macka B. (2. August), die New-Metal-Helden Emil Bulls (1. August) und deren Vorreiter aus Seattle Queensrÿche (30. Juli), die Ska-Haudegen Bluekilla (1. August), die New Yorker Crossoverrocker Life of Agony (27. Juli), die Hamburger Performer HGich.T (20. Juli) oder der Bayerwald Rap-Philosoph und -Komiker Monaco F (18. Juli), einst bei Doppel D und inzwischen genau so lange dabei, wie es das "Free & Easy" gibt.

Das Festival ist auch stets ein Ort, etwas Neues auzuprobieren: Flo Weber von den Sportfreunden Stiller zum Beispiel legt hier mit Markus Schäfer von Instrument als Seattle Soundsystem scheppernde Lieblingsmusik auf (1. August). Ein Top-Spieler aus der deutschen Rock-Bundesliga ist auch dabei: Vom Richie, Schlagzeuger der Toten Hosen, stellt sein gemeinsamen Album mit seinem alten Kumpel Dick York als Cryssis vor. Der Titel: "Kursaal Nights". Bestimmt blanke Punk-Ironie.

Free & Easy , Do., 18. Juli, bis So., 4. Aug., tägl. 18-4 Uhr, Reitknechtstr. 6

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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