Schwabing/Freimann:Ringen um den Chef-Posten

Wer am Mittwoch den Vorsitz im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann übernimmt, ist völlig offen. Die Grünen als stärkste Fraktion stellen Forderungen, doch eine Mehrheit hat bisher keiner der vier Bewerber

Von Stefan Mühleisen, Schwabing/Freimann

22 Jahre lang war es für Schwabinger und Freimanner kein Thema, wer wohl die Führung ihres politischen Gremiums übernimmt: Werner Lederer-Piloty (SPD) stand gleichsam selbstverständlich an der Spitze des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann. Im März wurde er zwar wieder ins Gremium gewählt, hatte aber schon zuvor den Vorsitz abgegeben. Er war immer der Konsenskandidat gewesen, in einem um Konsens bemühten Gremium. Doch wie sich nun zeigt, wird das gewohnte Einvernehmen derzeit auf eine harte Probe gestellt.

Patric Wolf Dorothea Wiepcke

Patric Wolf (CSU)

(Foto: privat)

Kurz vor der konstituierenden Sitzung des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann am Mittwoch, 6. Mai (Turnhalle der Ricarda-Huch-Realschule, Wilhelmstraße 29, 19.30 Uhr), konnten sich die Neu- und Wiedergewählten auf keinen Vorsitzenden einigen. Es wird höflich, aber hart um den Chef-Posten gerungen. Inzwischen haben die Grünen sogar ihre Aspirantin ersetzt. Die Zeichen stehen auf Kampfkandidatur statt Konsenslösung.

Freilich hatte Lederer-Piloty immer eine gute Ausgangslage als Spitzenmann einer SPD-Fraktion mit robuster Mehrheit. Doch die Wähler schrumpften die SPD im Stadtbezirk von elf auf acht Sitze zusammen. Die Grünen sind nun mit 13 Sitzen mehr als doppelt so stark vertreten wie zuvor, die Christsozialen in reduzierter Besetzung gleichauf mit der SPD. Die FDP konnte ihre zwei Sitze halten, die Freien Wähler (FW) haben statt zwei nur noch einen; neu hinzu kam ein Vertreter der AfD.

Landtagswahl Bayern - Wahlparty FDP

Dagmar Föst-Reich (FDP)

(Foto: dpa)

Das ist die Ausgangslage, mit der die Verhandlungsführer Mitte April in die erste Videokonferenz gingen - wobei sich ein Kandidaten-Quartett für den BA-Vorsitz herauskristallisierte: Überraschend meldete FDP-Spitzenkandidatin Dagmar Föst-Reich ihre Bewerbung als BA-Chefin an, zudem warf der frisch gewählte SPD-Stadtrat und Fraktionssprecher im BA, Lars Mentrup, seinen Hut in den Ring, ebenfalls unvermutet. Bis dato waren nur zwei Anwärter festgestanden: CSU-Fraktionssprecher Patric Wolf und die Spitzenkandidatin der Grünen, Barbara Epple.

Schwabing/Freimann: Lars Mentrup (SPD)

Lars Mentrup (SPD)

(Foto: privat)

"Bisher sind wir noch nicht weit gekommen, um den gordischen Knoten zu zertrennen", kommentiert Patric Wolf die ungewohnte Dissens-Situation, in der längst das Sondieren nach Mehrheiten begonnen hat, flankiert vom Hin und Her darüber, für wen welcher Unterausschuss-Vorsitz herausspringt. Dabei ist zu vernehmen, dass die Grünen offenbar recht forsch auftreten. "Klar sind die Grünen stärkste Kraft. Sie leiten daraus aber auch großes Anspruchsdenken ab", berichtet Dagmar Föst-Reich. "Unkooperativ" nennt sie das.

Ekkehard Pascoe, Grünen-Politiker im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann, Vorsitzender des Organisationsvereins für den "Corso Leopold"

Ekkehard Pascoe (Grüne)

(Foto: privat)

Konkret sehen die Grünen im Wählerwillen dokumentiert, dass sie den BA-Vorsitz und weitere Posten übernehmen sollen, wobei sie diese Auffassung "sehr selbstbewusst" vertreten, wie von Gremiumsmitgliedern zu hören ist. Jedoch: Epple gilt außerhalb der Grünen nicht als Idealbesetzung, ihr fehle die Erfahrung, glauben einige. Mit einer Mehrheit für sie ist kaum zu rechnen, wie auch die Ökopartei erkannte - und nun Ekkehard Pascoe kandidieren lässt. "Wir versuchen auszuloten, was möglich ist, um den BA-Vorsitz zu bekommen. Dabei stelle ich meine Interessen hinter die Interessen der Partei", kommentiert Epple ihren Rückzug. Pascoe ist, wie CSU-Mann Wolf, ein alter Hase der Schwabinger Lokalpolitik. Allerdings legt der pensionierte Lehrer anders als Wolf mitunter die Attitüde eines Oppositionsführers an den Tag, fiel in den vergangenen Jahren mit klimapolitischen Initiativen auf - und des öfteren bei Abstimmungen damit durch.

Wer das Rennen macht, ist völlig offen. Denn es gilt, eine Lösung für den "gordische Knoten" zu finden, wie Wolf es nennt. Der sieht so aus: Die Grünen bekommen nur mit FW, FDP und AfD eine Mehrheit von 17 der insgesamt 33 Sitze hin. Doch eine Wahl von AfD-Gnaden will Pascoe "niemals annehmen", wie er sagt. CSU und SPD sind ebenfalls auf einen kleinen Partner angewiesen, aber immerhin nicht auf die AfD. Föst-Reich deutet eine "gewisse Tendenz" für Wolf an, sollte sie selbst scheitern, was einen Triumph von Mentrup unwahrscheinlicher macht. Dessen SPD-Stimmen bräuchte Wolf, den die SPD und Mentrup durchaus schätzen. Doch steht der SPD-Mann womöglich näher bei Ekkehard Pascoe, mit dem er zusammen im Vorstand des Corso-Leopold-Vereins sitzt.

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