Süddeutsche Zeitung

Verkehr in München:Taxifahrer auf Abwegen

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Seit viele Taxler nach Navi fahren, erlebt man als Fahrgast immer wieder seltsame Routen durch die Stadt. Wer nicht aufpasst und auch noch unhöflich ist, verfehlt sein Ziel gleich ganz.

Glosse von Andreas Schubert

Wer noch ab und zu selbst Auto fährt und sich mangels Ortskenntnis auf sein Navi verlässt, der bekommt nicht selten eine unfreiwillige Entdeckungstour über hübsche, aber schmale Nebenstraßen, und zwar immer dann, wenn es auf den breiten Durchgangsrouten angeblich ein paar Sekunden langsamer vorangeht. Die Anwohner dieser sonst recht ruhigen Nebenstraßen freuen sich natürlich, dass endlich mal was los ist vor der Haustür - wofür ist man denn in eine Großstadt gezogen. Da staut es sich dann zum Feierabendverkehr, es wird gehupt und gepöbelt - und Radfahrer nutzen die Straßenverstopfung gerne für eine Umleitung übers Trottoir, zur Freude der Fußgänger.

Man kann den Schöpfern solch wild gewordener Verkehrsalgorithmen einen gewissen schrägen Humor nicht absprechen. Und seit die Taxifahrer keine Ortskundeprüfung mehr benötigen und immer häufiger nach Navi fahren, haben auch Taxifahrten in München zunehmend einen Unterhaltungswert, der mit dem guten alten Taxilied von Fredl Fesl ("Seit wann is' Nordbad denn in Giesing, links vom Isartor...") mithalten kann.

Da wird der Fahrer trotz freier Bahn vom Mittleren Ring runtergelotst und bei der nächsten Auffahrt wieder drauf, ein anderes Mal führt der Weg vom Westend zum Schlachthofviertel über den Stachus. Da sagt man oft nichts, sei es aus purer Neugier, wohin die Reise sonst noch so gehen wird, oder auch, weil man nach dem Kneipenbesuch und mit Maske einfach nicht mehr so viel reden mag.

Wenn man dabei nicht höflich bleibt, kann das auch blöd ausgehen, wie eine Bekannte neulich erfahren musste. Als der Fahrer fragte, wie er fahren solle, meinte sie, er solle doch einfach seinen Job machen. Als sie sich dann trotzdem über die vermeintlich falsche Route beschwerte, setzte er sie genervt am nächsten Taxistand aus. Der nächste Fahrer brachte sie dann zum Rotkreuz- statt zum Roecklplatz. Zu sehr ins Smartphone vertieft, hatte die Passagierin erst in Neuhausen bemerkt, dass es offensichtlich ein Verständigungsproblem gegeben hatte.

Was man als Fahrgast daraus lernen kann: Wer ins Taxi einsteigt, sollte den Weg selbst kennen, nicht maulfaul und am besten nüchtern sein. Was gar nichts bringt, ist herumzumosern und die Route selbst über Google Maps nachzuschauen - es sei denn, man wünscht sich eine Stadtrundfahrt auf den Spuren Fredl Fesls.

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