Brauchtum:Ein Lichterfest und viele Perspektiven

Weihnachtsmarkt auf dem Münchner Marienplatz, 2009

Wenn der große beleuchtete Christbaum wieder den Marienplatz erhellt, weiß man: Bald ist Weihnachten.

(Foto: Robert Haas)

Die Ausstellung "Weihnachtszeit in München" war im vergangenen Jahr ein voller Erfolg. Nach einer geplanten Beteiligung des Jüdischen Museums haben sich die Münchner Brauchtumsvereine allerdings zerstritten

Von Oliver Hochkeppel

Einen schönen Erfolg konnten acht Münchner Brauchtumsvereine im vergangenen Jahr feiern. Mehr als 10 000 Besucher sahen vom 6. bis 30. Dezember die Ausstellung "Weihnachtszeit in München" in der Rathausgalerie, die Vereine wie die Münchner Krippenfreunde, der Förderverein Bairische Sprache oder das Münchner Marionettentheater gemeinsam organisiert hatten. Neben 44 Krippeninszenierungen wurden alte Bräuche wie das "Frauentragen", der "Klaubauf" oder das "Weihnachtsfasten" vorgestellt. Dass München neben Neapel einst das europäische Zentrum der Krippenschnitzerei war oder dass der erste gedruckte Adventskalender aus München stammt, wurde dabei unter anderem in Erinnerung gebracht. "Wir sind heute noch glücklich darüber, wie wir das aus eigener Kraft bewältigt haben," sagt Nadine Kagerer von den Münchner Krippenfreunden, die die Ausstellung konzipierte. Es sei darum gegangen, "den alten Münchner Bräuchen, die immer mehr in Vergessenheit geraten, wieder Raum zu geben".

Schon damals, also lange vor der Corona-Krise, war klar, dass die Rathausgalerie heuer nicht zur Verfügung stehen würde. Trotzdem wollte man an den Erfolg anschließen. Der "Münchner Kreis für Volksmusik, Lied und Tanz" brachte dafür seine Räume in der Mauerkirchner Straße ins Spiel. Die Federführung übernahm mit allgemeiner Zustimmung die Kulturwissenschaftlerin Miriam Arteaga, die auch Vorstandsmitglied des Vereins ist. Und die ging mit viel Elan und neuen Ideen an die Sache. Vor allem wollte sie das rituelle Spektrum der Weihnachtszeit aufzeigen und gewann dafür das Jüdische Museum für einen kleinen Exkurs zu Chanukka, dem achttägigen säkularen jüdischen Lichterfest im Dezember. Dieses wurde schon Ende des vergangenen Jahrhunderts oft mit der christlichen Weihnacht zu Weihnukka verschmolzen: Auch die Juden stellten neben dem Chanukka-Leuchter - an jedem Tag kommen eine Kerze und ein Geschenk dazu - einen Weihnachtsbaum auf, dekoriert etwa mit Davidsternen.

Als sie die neue Kooperation stolz verkündete, traf Arteaga auf unerwarteten Gegenwind. Bis auf den Flößer-Kulturverein Thalkirchen waren dann bis Anfang November alle Vereine aus dem gemeinsamen Projekt ausgestiegen. Die Gründe dafür stellen die Verantwortlichen auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung ganz unterschiedlich dar.

Nadine Kagerer etwa sagt, Weihnukka sei ein interessantes Thema, "aber kein spezifisch Münchnerisches", und wenn man es in die Ausstellung integriere, dann müsse man diese generell "interreligiös aufziehen und auch zum Beispiel die orthodoxen Bräuche miteinbeziehen". Bis zum 1. November habe es dafür kein Konzept und keine Raumplanung gegeben. "Das war jetzt alles zu viel auf einem Haufen." Und Siegfried Böhmke vom Münchner Marionettentheater sieht sich ohnehin nur am Rande beteiligt. Chanukka müsse als ein Thema für sich alleine angegangen werden, "und dass es zu Spannungen führen würde, war mir klar", sagt er. Der ausschlaggebende Punkt für seinen Rückzug sei aber die Aussage von Miriam Arteaga gewesen, dass das Münchner Marionettentheater nicht sehr traditionsreich sei.

Jüdisches Lichterfest in München, 2010

Es gibt auch in München verschiedene Traditionen, an Weihnachten Kerzen zu entzünden. Hier der Chanukka-Leuchter vor der Jüdischen Synagoge.

(Foto: Catherina Hess)

Lissy Wuttke vom Heimatverein "Die Lechler" wiederum findet es "äußerst traurig, das wir heuer nichts machen können. Aber es ist einfach nicht sinnvoll, etwas unter diesen Corona-Umständen zu veranstalten. Das ist ja mit viel Arbeit, Aufwand und Kosten verbunden, das war uns jetzt zu riskant". Mit dem Jüdischen Museum habe der Rückzug aber nichts zu tun. Ruth König vom Verein "Die schöne Münchnerin" betont, die Ausstellung sei aus ihrer Sicht immer als Plattform für die kleinen Brauchtumsvereine gedacht gewesen. Das neue Konzept habe "diesen Rahmen bei weitem gesprengt. Wir haben uns da nicht mehr wiedergefunden und uns deswegen rausgezogen". Zu der mehrfachen Nachfrage, ob das konkret mit der Beteiligung des Jüdischen Museums zusammenhänge, wollte sie sich nicht äußern.

Miriam Arteaga wollte trotz des Disputs nicht aufgeben und die Ausstellung sogar inhaltlich erweitern. Nachdem klar wurde, dass die Räume im Dezember nicht besucht werden können, wollte sie die Ausstellung an den Außenzaun des Grundstücks und ins Netz verlegen. - Bis Arteaga vergangene Woche an Covid erkrankte und nun, ziemlich geknickt, alles absagte: "Die Ausstellung stand wohl von vorneherein unter einem schlechten Stern."

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