Ausstellung in München:Zittern vor der Kunst

Lesezeit: 3 min

Elektro mit Konzept: Andi Toma und Jan St. Werner (von links) bringen den Sound von "Mouse on Mars" ins Museum. (Foto: Simone Gänsheimer/Lenbachhaus)

Klänge brechen sich an den Wänden, Perkussionsroboter mischen mit: Das Berliner Elektronik-Duo Mouse on Mars präsentiert im Kunstbaus des Lenbachhauses seine Klanginstallation "Spatial Jitter".

Von Jürgen Moises

Zwei Ohren treffen auf zwei Lautsprecher. Wenn sich die Ohren auch noch in der Mitte und frontal vor den Boxen befinden, dann ergibt das die idealtypische Hörsituation. Auch das Gehirn freut sich darüber, weil es die von ihm selbst geschaffene, künstliche Stereosituation gewohnt ist.

Zudem ist die menschliche Wahrnehmung recht faul, greift meist auf Vertrautes zurück und blendet Unbekanntes lieber aus. Trotzdem kann man sich nun fragen: Muss das denn so sein, dass wir frontal und am besten ruhig vor den Lautsprechern oder Musikern sitzen? Könnten wir nicht irgendwo anders sein oder uns sogar zwischen den Boxen oder Musikern bewegen? Und warum nehmen wir nicht drei, vier oder mehr Lautsprecher und tauchen damit in einen völlig neuen akustischen Raum ein?

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Genau das kann man aktuell, vom 9. April bis zum 18. September, im Kunstbau des Münchner Lenbachhauses tun und erleben. Dort ist die Sound-Installation "Spatial Jitter" des bekannten, in Berlin ansässigen Elektronik-Duos Mouse on Mars zu sehen und vor allem zu hören. Das Schöne ist: Man kann in diese Klangwelt kostenlos eintauchen und das während der Öffnungszeiten zur beliebigen Tageszeit. Und man kann natürlich wiederkommen und sich den Klängen dort erneut aussetzen. Genau das ist auch zu empfehlen. Denn auch wenn sich das Musikprogramm nach zwei Stunden wiederholt, so wird dessen Erfahrung nie die gleiche sein.

Wieso? Nun dafür haben Andi Toma und Jan St. Werner gesorgt, die bereits seit ihrem Debütalbum "Vulvaland" von 1994 die Welt der Klänge erforschen und sich vor allem für künstliche und maschinelle Klänge interessieren. Als "Kraut Dub" oder "Post Techno" hat man ihre Musik anfangs bezeichnet, mit der sie tatsächlich an Genres wie Krautrock und Techno oder auch Ambient andockten. Aber das mit einem originellen, man könnte auch sagen: durchgeknallten Dreh. Vom Studio über die Bühne oder das DJ-Pult haben sie dabei bereits 2004 ins Museum gefunden und damals in der Düsseldorfer Kunsthalle die Ausstellung "Doku/Fiction. Mouse On Mars Reviewed & Remixed" organisiert.

Vorbilder sind Iannis Xenakis, Karlheinz Stockhausen oder La Monte Young

Jetzt also der Kunstbau. Dort haben Toma und St. Werner einen sich drehenden, auf einem Scheinwerfer basierenden Hornlautsprecher installiert, mehrere von Michael Akstaller kreierte Lautsprecher-Objekte, an der Decke hängende Perkussionsroboter, die Moritz Simon Geist geschaffen hat, und das Ganze mit einer von Matthias Singer produzierten, weitgehend auf den Boden konzentrierten Lichtinstallation kombiniert. Das heißt zunächst mal: Es ist relativ dunkel, wenn man hineingeht, in den 15 Meter breiten, fünf Meter hohen und 110 Meter langen Raum, der sich über der U-Bahnhaltestelle "Königsplatz" befindet.

Die ersten Töne? Das kann ein Klicken oder Klirren sein, etwas, das wie ein Sägen oder verzerrte Streicher oder wie das dumpfe Brummen oder Dröhnen aus einer angrenzenden Disko klingt. Manches wirkt harmonisch, vieles disharmonisch. Und vor allem: Der Ursprungsort all dieser Geräusche lässt sich oft nur schwer ausmachen. Tatsächlich ist es meist der Hornlautsprecher, der Töne in den Raum spuckt, der auch irgendwann fast Amok läuft, sich aufbäumt und wild dreht. Nur: Die Klänge kreuzen sich und brechen sich an den Wänden, werden von den anderen Lautsprechern gelenkt oder reflektiert. Und die Perkussionsroboter an der Decke mischen sich ebenfalls mit ein.

Stilistisch dockt das Ganze an die Neue Musik an. Mouse on Mars nennen selbst Figuren wie Iannis Xenakis, Karlheinz Stockhausen oder La Monte Young als Vorbilder. Von der Kuratorin Eva Huttenlauch und dem Direktor des Lenbachhauses Matthias Mühling wurden bei der Pressekonferenz zudem Arnold Schönberg oder der futuristische Künstler Luigi Russolo als mögliche Bezüge genannt. Zur für das Lenbachhaus wichtigen Künstlergruppe Blauer Reiter sei es da jedenfalls nicht mehr weit. Auch weil, so Matthias Mühling, es bei "Spatial Jitter" (auf Deutsch etwa: "Räumliches Zittern") mit Ton, Licht, Farbe, Licht und Bewegung um die elementaren Dinge der Kunst ginge, wie sie etwa auch Wassily Kandinsky analysiert hat.

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Für Kandinsky war auch die Synästhesie wichtig, also das Phänomen, dass jemand etwa Töne als Farben wahrnehmen kann. Ein Phänomen, das Gattungsgrenzen sprengt, für die sich Künstler aber meist eh nicht interessieren. Die Künste aufzuteilen, in Disziplinen und Häuser zu trennen, das entspringe, so Mühling, der bürgerlichen Schubladen-Welt. Im Lenbachhaus versuche man dieser Trennung aber zu entgehen. Beispiele dafür? Die Kraftwerk-Installation 2011 im Kunstbau, oder die Konzerte von Julius Eastman, die im vergangenen Februar und März dort stattfanden. Und wenn man auf Veranstaltungsreihen wie "Tune" im Haus der Kunst schaut, kann man dort aktuell ähnliche Entwicklungen sehen.

Dazu passt auch, dass bei der Eröffnung von "Spatial Jitters" am 8. April Kunststudierende die Musik machen. Das heißt Mitglieder des Kollektivs DAF (Dynamische Akustische Forschung), die zu den Sound-Art-Klassen gehören, die Jan St. Werner in Nürnberg und München unterrichtet. Am 24. Juni und 29. Juli werden Mouse on Mars Performances aufführen und am 9. September ein Konzert in der Muffathalle spielen.

Der "Katalog" zur Ausstellung? Der ist natürlich eine Schallplatte. In dessen Booklet gibt es trotzdem mehrere Texte, und man kann sich die Musik aus der Installation anhören. Die klingt auf Platte etwas anders. Aber wer etwa eine DTS-Mehrkanal-Anlage aus den Neunzigern zuhause hat, der käme, so Andi Toma, an das Original doch recht nah ran.

Mouse on Mars. Spatial Jitter, Fr., 8. April, 19 Uhr (Eröffnung), bis 18. Sep., Kunstbau/Lenbachhaus , U-Bahn-Zwischengeschoss Königsplatz

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