München:Ausstellung im Haus der Kunst: Auf der Suche nach einem Etikett

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Das Haus der Kunst zeigt Werke aus dem Pariser Centre Pompidou - leider nicht unbedingt mit Erfolg.

Von Catrin Lorch

Die kleinen Häuser stehen schief auf dem hellen, blanken Steinboden. Einmal die Wand entlang und um die Ecke, das Panorama einer Stadt - aber in Kniehöhe. Wolkenkratzer, Museum, Wohnhaus, alles aus Pappe, Faden, Karton. Darüber ein paar Zeichnungen. "Common Trip", eine Installation des slowakischen Künstlers Roman Ondák, ist ein Gemeinschaftswerk. Roman Ondák bat Freunde und Familie im Jahr 2000, die Orte, die er als gefragter Künstler bereist und ihnen beschrieben hatte, darzustellen.

"Common Trip" ist, so wackelig es aussieht, ein fast ikonisches Werk der Aufbruchjahre zeitgenössischer Kunst. Es wurde bei Biennalen gezeigt und schließt jetzt im Haus der Kunst fugenlos an ein Werk wie Pawel Althamers "Tecza" (2004) an: einen Wäscheständer, behängt mit bunten Schnürsenkeln und Schuhsohlen, wie man ihn auf den Märkten in der polnischen Heimat Althamers findet. Eine Konstruktion, in der sich die komplizierte wirtschaftliche Situation postkommunistischer Staaten womöglich genauer abzeichnet als in den Balkendiagrammen der Ökonomen.

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Auftritt unter dem Titel "Eine Geschichte"

Die beiden Werke sind allerdings nicht nach München gereist, um von politischen Zusammenhängen in Osteuropa zu berichten, sondern weil dort die Sammlung "Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompidou" unter dem Titel "Eine Geschichte" ihren Auftritt hat. Dass es sich dort, wo Wäscheständer aufgeklappt und Papphäuschen ausgepackt werden, nicht unbedingt um das Format "Meisterwerke aus dem Museum" handeln kann, wird dem Besucher schnell klar.

Tatsächlich hat die Kuratorin Christine Macel vom Centre Pompidou um die Ankäufe des vergangenen Vierteljahrhunderts die Erzählung einer eigenen Kunstgeschichte gesponnen. Sie beginnt im Jahr 1989, in dem - nach Macel - sich erstmals ein neues Verständnis von Zeitgenossenschaft begründet. Damals, so schreibt sie im Vorwort des Katalogs, habe nicht nur politisch mit dem Fall der Mauer und den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz ein neues Kapitel begonnen - es wurden auch die "Satanischen Verse" von Salman Rushdie verbrannt.

Noch folgenreicher allerdings als in den anderen Disziplinen der Kultur habe sich die Landkarte der Kunst verändert. Denn am Centre Pompidou zeigte Jean-Hubert Martin mit "Les Magiciens de la Terre" erstmals konsequent Werke nicht-europäischer Künstler, denen er einen eigenen Wert zubilligte, während in London "The Other Story" im gleichen Jahr von der pakistanisch-stämmigen Künstlerin Rasheed Araeen ausschließlich nicht-westliche Künstler zusammenbrachte, "womit in der Kunst die postkoloniale Ära einsetzte", wie Macel schreibt.

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Wie falsch etikettiert

In diese Zusammenhänge betten die Kuratoren nun die Sammlung des Pariser Museums ein. Leider nicht unbedingt mit Erfolg. Denn auch wenn viele Ankäufe des Hauses unmittelbar aus diesen Entwicklungen resultierten, so bürden die Kuratoren der Sammlung zu viel auf, wenn sie gleichzeitig Kunstgeschichte neu denken, eine Ausstellung aufbauen und 160 Werke repräsentativ für eine Kollektion auswählen.

Dass die Besucher im ersten Saal frontal zunächst dem Altar der Installation "MetroMobiltan" (1985) von Hans Haacke begegnen, der die Verstrickungen großer Museen mit Sponsoren aus der Ölindustrie thematisieren, eröffnet zwar Denkräume, die weit über die Kunst hinausreichen. Erdrückt aber gleichzeitig auch eine so fragile Ikone wie "The Missionary" von Marlene Dumas. Das Porträt eines ausgestreckten daliegenden Mannes wird von dem Aufbau an den Rand gedrängt.

Dass die Kuratoren zudem für einzelne Kapitel der Kollektion kunsthistorisch neue Oberbegriffe schaffen, wie "Der Künstler als Archivar" oder "Künstler und Körper", tut der sicher nicht nach diesen Gesichtspunkten angekauften Kunst nicht gut. Zudem begegnen sich Werke, die sich eher diametral gegenüberstehen denn ergänzen oder zu Aussagen zwingen: "Avalancha", der kugelige Tatzelwurm von Wilfredo Prieto ringelt sich in banaler Hilflosigkeit vor einem monumentalen Gemälde "Slave Auction" (1982) von Jean-Michael Basquiat. Die so heterogenen, eigengesetzlichen Werke können sich in dieser Präsentation nicht wirklich entfalten, sondern wirken wie falsch etikettiert.

Eine Geschichte: Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompido u. Haus der Kunst, München. Bis 4. September. Der Katalog kostet 39,30 Euro.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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