Ausstellung:Die Sprache als Lebensraum

Ausstellung: Im Werk der in Novi Sad geborenen Künstlerin Katalin Ladik geht es immer um Sprache, aber auch um den Körper, der diese produziert, sowie um Fragen der Sexualität und Weiblichkeit. Hier ein Bild aus der Fotoreihe "Androgin 1 - 3".

Im Werk der in Novi Sad geborenen Künstlerin Katalin Ladik geht es immer um Sprache, aber auch um den Körper, der diese produziert, sowie um Fragen der Sexualität und Weiblichkeit. Hier ein Bild aus der Fotoreihe "Androgin 1 - 3".

(Foto: Courtesy of the artist and acb Gallery)

Mit Katalin Ladik ist im Münchner Haus der Kunst eine Schlüsselfigur der jugoslawischen Avantgarde-Kunst wiederzuentdecken.

Von Jürgen Moises

Die Sprache, sie begegnet uns in verschiedenen Erscheinungsformen. Es gibt sie als geschriebene, lesbare Sprache. Es gibt sie als Klangphänomen. Und rein optisch kann sie auch ein Bild sein. Für die jugoslawisch-ungarische Poetin und Performerin Katalin Ladik ist die Sprache darüber hinaus noch etwas Anderes: ein Ort, ein Lebensraum, ohne den sie als Künstlerin nicht sein kann. Als sie 1980 nach dem Tod des jugoslawischen Staatsführer Tito das Angebot bekam, in New York zu bleiben und zu leben, schlug Ladik dieses deshalb aus. Sie ging stattdessen zurück in ihre heute in Serbien liegende Geburtsstadt Novi Sad. Dort lebt die Achtzigjährige noch immer, in Abwechslung mit Budapest und der kroatischen Insel Hvar.

Diese Sprache, Ladiks Sprache, kann man nun im Haus der Kunst in München sehen und hören. Dort läuft aktuell "Katalin Ladik. Ooooooooo-pus", die erste Überblicksausstellung ihres Werks in Deutschland. Zu entdecken ist eine Schlüsselfigur der Performancekunst sowie der literarischen und künstlerischen Avantgarde des ehemaligen Jugoslawiens. Auch als Frau ragte die 1942 als Tochter ungarischer Eltern geborene Ladik in den Siebzigerjahren in der männlichen Kunstwelt heraus. Diese konterte damit, dass sie Ladiks Kunst als "Spielerei" abtat und die Künstlerin als "nackte Dichterin" diffamierte, weil sie bei ihren "schamanistischen" Sprachritualen auch ihren Körper als "Poem" einsetzte.

Ihre daraus geborene Lautmalerei empfängt einen bereits im Treppenaufgang. Dort läuft der Experimentalfilm "Opus", den sie 1972 zusammen mit Attila Csernik und Imre Póth schuf. Darin sieht man den Buchstaben "O" in verschiedensten Formen, während Lanik dazu das "O" in allen Varianten intoniert. Davon inspiriert sind auch der Ausstellungstitel sowie das lange "Ooooooo...", das die Wand des Treppenaufgangs ziert. Dieses wurde am Eröffnungstag von Ladik persönlich höchst charmant interpretiert. Das klang mal verblüfft, mal kokett, mal traurig. Dabei tänzelte die Achtzigjährige die Treppe hinauf.

Katalin Ladiks Collagen dienten ihr als Partituren

Auch in den Räumen hört man Ladiks Stimme. Sie stammt von Schallplatten oder aus Videos. Im ersten von drei Räumen hängt das dazugehörige "Klangmaterial": Collagen, die Ladik vorwiegend in den Siebzigern geschaffen hat und für Performances als "Partituren" dienten. Dafür verwendet hat sie vorwiegend Zeitschriften. Die Bilder bestehen aus Bild- und Textfragmenten. Unter den Wortfetzen sind auch deutsche wie "Feinschmecker" oder "Das ist". In Vitrinen wird Ladiks Biografie erzählt. Man sieht Bücher, insgesamt 15 hat sie auf Ungarisch publiziert. Es gibt Schallplatten wie "Phonopoetica", Fotos, Briefe und anderes Dokumaterial.

Im zweiten Saal sind Performances dokumentiert. Auf den großen Fotos von "Poemim" (1978) inszeniert Ladik ihr Gesicht in einem Glasrahmen. Bei "Androgin 1 - 3" von 1978 sieht man, wie ihr Kopf mit seinem Spiegelbild verschwimmt. Und mit "Pseudo-presence" ist eine improvisierte Foto-Performance dokumentiert, die während der Olympischen Spiele 1972 in München entstand. Damals sollte Ladik mit dem kroatischen Avantgarde-Ensemble Acezantez auftreten, wozu es wegen des Attentats nicht kam. Auf den Fotos sieht man sie nackt zwischen den Musikern posieren. Eine Anspielung auf Eduard Manets Gemälde "Das Frühstück im Freien" und ein Spiel mit den Themen Sexualität und Moral.

Ausstellung: Die Installation "Alice" hat Katalin Ladik extra für die Ausstellung geschaffen. Daneben laufen alte Fernsehfilme mit ihr als Schauspielerin.

Die Installation "Alice" hat Katalin Ladik extra für die Ausstellung geschaffen. Daneben laufen alte Fernsehfilme mit ihr als Schauspielerin.

(Foto: Julian Baumann)

Im letzten Saal der von Sarah Johanna Theurer und Hendrik Folkerts kuratierten Ausstellung geht es um Folklore und Mythologie, die für Ladik als Poetin sehr zentral sind. Die extra für die Ausstellung geschaffene Installation "Alice" geht auf die Multimedia-Performance "Alice in Codeland" zurück, in der Ladik den Prozess des Alterns thematisiert und dabei QR-Codes als Sprache nutzt. Die Fotoserie "Genesis" von 1975 zeigt elektronische Leiterplatinen, die als Partituren für Bits-und-Bytes-Gesänge den Aufbruch ins Informationszeitalter spiegeln und ein Sprachspiel mit dem englischen Wort "Motherboard" für Platine darstellen.

Ausschnitte aus Filmen gibt es auch. Denn Ladik, die am 14. und 15. Juli für zwei Performances wieder im Haus der Kunst sein wird, hat nach einer Banklehre und Tätigkeiten beim Radio auch lange als Schauspielerin gearbeitet. Filme wie "Der Mythos der Weltmuschel" machten sie in Jugoslawien zum Star. In Deutschland ist sie wie gesagt noch zu entdecken. Und es ist schön, dass das Haus der Kunst nach den Ausstellungen zu Phyllida Barlow oder Heidi Bucher seine Entdeckungsreisen weiterführt.

Katalin Ladik. Ooooooooo-pus, bis 10. Sep., Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, www.hausderkunst.de

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