Science- und Fiction-Kunst:Diesseits und Jenseits

Science- und Fiction-Kunst: "Wonder Where to Land": Diogo da Cruzs Installation ist der zweite Teil einer Science-Fiction-Vision.

"Wonder Where to Land": Diogo da Cruzs Installation ist der zweite Teil einer Science-Fiction-Vision.

(Foto: BBK)

In der Ausstellung "Mana" in der Münchner Galerie der Künstler verschmelzen die reale und die virtuelle Welt .

Von Jürgen Moises

Der Mensch braucht die Natur, die Natur ihn aber nicht. Aber wie es aussieht, will der Mensch das nicht verstehen. Da muss wohl erst eine unbekannte Unterwasserzivilisation kommen, die ihm den Krieg erklärt. Der Grund: Die Ausbeutung der Meere, wo durch Mikroalgen ein Großteil des Sauerstoffs entsteht. Im Video "Hydrophilic Bounds" von Diogo da Cruz begrenzt die Unterwasserzivilisation die im Meer produzierte Sauerstoffmenge und tötet mehr als 300 Millionen Menschen. Wovon man im Film nur indirekt erfährt. Stattdessen geht es um eine Wissenschaftlerin, die sich für einen Bericht bestechen ließ, der für ein großes Förderprojekt entscheidend war. Sie wird verhört, während man parallel nach einer Lösung des Konflikts sucht.

Zu sehen ist "Hydrophilic Bounds" in der Ausstellung "Mana" in der Galerie der Künstler, zusammen mit der zugehörigen Installation "Wonder Where To Land" und Werken von weiteren neun Münchner Künstlern. "Mana" ist eine hybride, zwei- oder eher dreigeteilte Ausstellung. Ein erster Teil war im November und Dezember im Allgäu zu sehen. Der zweite Teil greift nun die Arbeiten von dort auf und ergänzt sie durch eine Präsentation im Internet. Zu finden ist diese unter www.mana-project.xyz. Man kann dort durch die vom Architekturbüro Studio Paradiso gestaltete 3D-Kirche Holy Plaza laufen und sich virtuelle Kunstwerke ansehen. Das klappt aber nur mit dem Google-Chrome-Browser, und auch das nur, wenn man Glück hat. Dafür sind die Arbeiten zusätzlich durch Bilder und Texte dokumentiert. Und mithilfe eines 3D-Headsets kann man auch in der Galerie durch Holy Plaza gehen.

Kryptowährung oder transzendente Lebenskraft

Mana, das kennt man neuerdings als Kryptowährung. In verschiedenen austronesischen Sprachen meint das Wort eine transzendente Lebenskraft. Und in Fantasy-Videospielen tauchen sogenannte Manapunkte als magische Energie auf. Passend dazu hat Janina Totzauer ein Computer-Spiel entworfen und dazu drei Videos gedreht. Darin passieren recht seltsame Dinge in einer insularen, postapokalyptischen Welt. Die Protagonistin verleibt sich Blutegel ein und würgt danach Stoffstreifen hervor. Es geht um Symbiose, Wiedergeburt. Eine neue evolutionäre Stufe menschlichen Lebens?

Science- und Fiction-Kunst: Sebastian Quast lässt mittels Koordinatensystemen den virtuellen in den realen Raum ragen.

Sebastian Quast lässt mittels Koordinatensystemen den virtuellen in den realen Raum ragen.

(Foto: Sebastian Quast)

In Justin Urbachs Video "Sticky Mouth" sieht man einen Mann in einer Wanne liegen, der in einem absurden Ritual Wachswürfel einschmilzt. Angela Stiegler hat sich während Corona mit den Tauben vor ihrem Badezimmerfenster angefreundet und darauf aufbauend den Film "Taubentheater" gedreht. Tatjana Vall lässt in einer Vitrine einen Mining-Computer nach Krytowährungseinheiten "schürfen". Lilian Robl setzt sich in "Breathing" akustisch und sprachlich mit dem Atmen auseinander. Und Merlin Stadler lässt 3D-animierte, kugelförmige Universen kollidieren.

Bei Sebastian Quast ragt in Form 3D-gedruckter Koordinatensyteme der virtuelle in den realen Raum. Und Paul Valentin hat in einem Video den Lotharpfad in ein Science-Fiction-Szenario verwandelt. Der Pfad entstand nach dem Sturmtief Lothar im Jahr 2003, mit der Besonderheit, dass man seitdem dort die Natur sich selber überlässt. Ist das nun "reine" Natur oder doch ein (passives) Werk des Menschen? Eine klare Antwort gibt es nicht, genauso wenig auf andere Fragen zur realen und digitalen Welt, welche diese anregende Ausstellung aufwirft. Für die an das Mana glaubenden Indonesier waren Diesseits und Jenseits gleichermaßen real. Und vielleicht ist das ja die Kunst: Anstatt in Natur und Kultur, real und virtuell zu trennen, das Verbindende in alledem zu sehen.

Mana, bis 3. April, Galerie der Künstler, Maximilianstr. 42, www.bbk-muc-obb.de

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