Ausstellung:Treffen der Generationen

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Wie sie Europa sieht? Da versteckt sich die italienische Künstlerin Elisa Montessori hinter einem Vorhang. (Foto: Maximilian Gödecke)

Eine Ausstellung in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München erzählt anschaulich von Europa.

Von Jürgen Moises

Es herrscht Krieg in Europa. Und blickt man etwas weiter zurück in die Geschichte, erkennt man: dass das leider schon immer der Normalfall und der uns vertraute Frieden nur ein Sonderfall war. Das Morden in der Ukraine macht das nicht erträglicher. Aber es lässt vielleicht noch deutlicher erkennen, wie fragil der Friede oder auch Europa ist. Europa als Idee. Als Utopie. Als ein kultureller und historischer Erfahrungsraum, den heute viele in falscher Gleichsetzung mit der EU fast nur noch mit Bürokratismus verbinden. Dass Europa aber viel mehr ist, war oder sein könnte, kann man auf der Webseite arbeitaneuropa.com erfahren. Sowie aktuell in einer Ausstellung in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Beides gehört zusammen. "Arbeit an Europa", das ist ein "aufgeschreckt" vom Brexit gegründeter Verein, dem mehr als 30 junge Intellektuelle aus Europa angehören. Diese treffen sich regelmäßig und lancieren Projekte, zu denen zentral das " European Archive of Voices" zählt. Dafür trafen sich mehr als 50 junge Intellektuelle mit Vertretern ihrer Großeltern- oder Urgroßeltern-Generation, um mit ihnen über die Vergangenheit und Zukunft Europas, ihre Erfahrungen, Ängste oder Hoffnungen zu reden. Auf arbeitaneuropa.com kann man die Gespräche nachlesen. In der Wanderausstellung "Europa erzählen" kann man sie sich an einer Hörstation anhören. Und man sieht dort Fotos von einzelnen Gesprächsteilnehmern, die der junge Berliner Fotograf Maximilian Gödecke gemacht hat.

Die Fotos sind offen für Interpretationen

Dazu gehören: Der 1929 geborene Althistoriker Christian Meier, der bis zu seiner Emeritierung 1997 zuletzt in München gelehrt hat; die Künstlerin Elisa Montessori, die 1931 in Genua zur Welt kam; und die 1933 in Budapest geborene Spracherzieherin Vera Szekeres Varsa, die Vorsitzende von Amnesty International in Ungarn war. In den Gesprächen erzählen sie vom Krieg, vom Aufwachsen in Armut unter Mussolini oder davon, wie das Leben als Jüdin in Ungarn war. Auf den in Themen wie "Kindheit", "Protest" oder "Zukunft" geordneten Fotos sieht man Meiers Gesicht im Schatten. Montessori hat sich hinter einem Vorhang versteckt. Und Varsa sitzt mit Blick zum Fenster in einem Sessel. Auf einem anderen Bild reckt sie die Faust.

Die Fotos sind vieldeutig, offen für Interpretationen. Viele wirken von Nostalgie, von Sehnsucht geprägt. Auf einem zieht am Himmel ein Sturm auf. Ein Sturm über Europa? Entstanden sind die Bilder meist an einem Nachmittag, mit manchen hat Gödecke drei Tage verbracht. Davon erzählte der Fotograf mit Enthusiasmus beim Eröffnungsabend, bei dem auch die Lyrikerinnen Anja Kampmann und Daniela Danz zugegen waren. Kampmann hat mit " Kein Haus aus Sand" ein auf dem "Archive of Voices" basierendes Hörspiel gemacht, das man auf der SWR2-Webseite finden kann. Danz arbeitet an einem Opernlibretto. Ihr gemeinsames Resümee: Es braucht die Arbeit an Europa. Es ist wichtig, dass man sich Geschichte(n) erzählt. Denn nur wer gemeinsam (s)eine Geschichte teilt, hat auch eine gemeinsame Zukunft.

Europa erzählen, bis 17. März, Bayerische Akademie der Schönen Künste, Max-Joseph-Pl. 3, www.badsk.de

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