Süddeutsche Zeitung

Comic-Ausstellung:Meister der Kontraste

Im Instituto Cervantes in München sind Originalwerke des preisgekrönten spanischen Comic-Zeichners José Homs zu sehen.

Von Jürgen Moises

Ein Mann und eine Frau beugen sich auf einem Feld über einen Korb mit Kartoffeln und beten zum Engel des Herrn. Es ist eine eher unscheinbare Szenerie, die sich auf dem Gemälde "Das Angelusläuten" von Jean-François Millet darbietet. Und trotzdem war Salvador Dalí davon so begeistert, dass er das Bild mehrfach neu interpretierte und mit "The Tragic Myth of the Angelus by Millet" sogar ein Buch darüber schrieb. Als der Handelsvertreter Clovis Millets Gemälde im Paris Musée d'Orsay entdeckt, ist er sogar so erschüttert, dass es ihn völlig aus der Bahn wirft. Er stellt Nachforschungen darüber an und glaubt, dass ein Familiengeheimnis darin steckt.

Wohin das führt, kann man aktuell im Instituto Cervantes in München erfahren. Dort sind im Vortragssaal und Treppenaufgang Originalzeichnungen und Acrylbilder des spanischen Comic-Zeichners José Homs ausgestellt. Die Geschichte von Clovis wird im zweibändigen Comic "L'Angelus" erzählt, den Homs zusammen mit dem Comic-Szenaristen Frank Giroud herausbrachte. In der von Rainer Schneider vom Münchner Comicfestival kuratierten Schau sind Buntstift- und Tuschezeichnungen mit Acryl kolorierten Farbseiten gegenübergestellt, die ebenfalls von Homs stammen. Die Texte sind auf Französisch, denn "L'Angelus" kam leider noch nicht auf Deutsch heraus.

Anders ist es bei der Adaption des Bestsellers "Millennium" von Stieg Larsson, die Homs mit dem Texter Sylvain Runberg kreiert hat. Hierzu gibt es Original-Tuschezeichnungen und vereinzelte Farbdrucke zu sehen. Während das Schwarz-Weiß ungeschminkt und realistisch wirkt, sind die Farbversionen von weichen Pastelltönen geprägt. Die bekannte, düstere Geschichte von Stieg Larsson bringen Homs und Runberg jedenfalls stimmungsvoll rüber. Gleichzeitig düster und sehr opulent sind die Tuschezeichnungen und Farbbilder zur Serie "Shi": Homs bisherigem, mit dem Texter Zidrou entwickelten Opus Magnum, für das der Spanier 2017 in Brüssel den Prix Saint-Michel als bester Zeichner erhielt.

Im Zentrum von "Shi" stehen mit Jennifer Winterfield und der Japanerin Kita zwei Frauen, die im viktorianischen England einer Verschwörung auf der Spur sind und deren Geschichte gleichzeitig mit der Gegenwart verknüpft ist. Die in den Bildern gespiegelten sozialen Kontraste sowie Homs Vorliebe für spektakuläre Bildausschnitte und verblüffende Details kommen in der Ausstellung am deutlichsten in den mit 3-D-Effekten spielenden Großformaten zum Ausdruck. Koloriert wurden die Bilder von Homs am Computer, was die Arbeit, wie er bei der Eröffnung erzählte, einfacher macht. Trotzdem koloriert der Zeichner auch weiter mit der Hand.

Dass der 1975 geborene Spanier nach seiner Ausbildung an der Joso Schule für Comics und visuelle Kunst in Barcelona kurz für US-Verlage wie Marvel, Dynamite und Dark Horse tätig war, belegen ausgestellte Cover von "Red Sonja". Weil ihm die Arbeitsbedingungen nicht gefielen, wechselte er aber bald in die frankobelgische Szene. Aktuell ist Homs komplett mit der Arbeit an "Shi" eingespannt. Der fünfte Band, von dem es Originalzeichnungen zu sehen gibt, kommt im Februar 2023 beim Splitter-Verlag heraus.

José Homs, bis 28. Juli, Instituto Cervantes, Alfons-Goppel-Str. 7, munich.cervantes.es

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