Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Der Marsch der Frauen

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Das Ägyptische Museum in München zeigt Gemälde von Alaa Awad. Der Künstler wurde durch große Wandbilder in Kairo während des Arabischen Frühlings bekannt.

Von Jürgen Moises

Nach dem Frühling folgt der Sommer. Im Fall des Arabischen Frühlings blieb diese Entwicklung aber aus. Was speziell die Revolution in Ägypten im Jahr 2011 betrifft, war der erwirkte Rücktritt von Husni Mubarak zwar ein Fortschritt. Hatte er in seiner 30-jährigen Amtszeit doch einen Polizei- und Geheimdienststaat aus dem Land gemacht. Aber ob dieses unter dem ebenfalls sehr autoritären Abd al-Fattah as-Sisi heute ein freieres geworden ist? Bleibt die Frage, was geblieben ist vom Frühling. Und etwas salopp könnte man sagen: gescheiterte Hoffnungen und Bilder. Zu Letzteren gehören großformatige Wandgemälde von Alaa Awad, die 2012 in der Mahmoud Street in Kairo entstanden. Als Bilder der Hoffnung machten sie Awad als Streetart-Künstler populär.

Das ist zehn Jahre her. Alaa Awad ist heute ein international gefragter Künstler. Und im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München ist nun mit " An Egyptian Story" seine erste deutsche Einzelausstellung zu sehen. Gezeigt werden mehr als 30 Gemälde sowie ergänzende Skizzen aus den vergangenen drei Jahren. Laut der stellvertretenden Direktorin und Kuratorin der Ausstellung Mélanie Flossmann-Schütze hätte man gerne auch frühere Bilder des 1981 geborenen Künstlers präsentiert. Aber die seien leider alle schon verkauft. Was sie als Ägyptisches Museum an seinen Gemälden interessant fanden, erklärt sich durch einen Blick darauf. Denn typisch für Alaa Awad ist, dass er altägyptische Motive und Darstellungen mit modernen Themen und Motiven verbindet.

Das hat der Ägypter auch bei den "Marching Women" getan. Ein sich seitdem wiederholendes Motiv, mit dem Alaa Awad 2012 in erster Linie bekannt wurde. Gemeint sind typisierte, meist in Formation schreitende Frauen, die ohne räumliche Tiefenwirkung hintereinander gestaffelt sind. In der Ausstellung gibt es davon vier Varianten. Darunter "Hope" und "Angels of Mercy Around", die Awad als Hommage an die Ärztinnen und Pflegerinnen in Zeiten der Pandemie versteht. Man sieht Frauen in weißen und grünen Gewändern. Einige haben Harfen in der Hand. Die "Engel" stehen oder fliegen, halten sich an den Händen. Ihr Blick geht nie in Richtung Betrachter, sondern meist seitlich zum Bildrand hinaus.

Andere Bilder zeigen Rinder- und Kamelmärkte, sufistische Feste oder große Bauprojekte wie den Suez-Kanal. Hier werden die Kompositionen teilweise komplexer. In "Suez Canal" sieht man eine feine Gesellschaft am Rande des Kanals, dahinter Schiffe, große Statuen. Aufgrund des Aufbaus und der schwarz umrandeten Figuren muss man ein bisschen an den gerade in der Pinakothek der Moderne gehuldigten Max Beckmann denken. Wobei Gustav Klimt Awads erklärtes Vorbild ist. In seiner Masterarbeit hat er sich mit Klimts Einfluss auf die moderne Wandmalerei beschäftigt. Porträtbilder gibt es auch. Hier dienten Studentinnen oder bei "Ahmed" ein alter Mann als Modelle.

Interessant sind Awads Bilder, die früher bunter, zuweilen grell überzeichnet und dadurch vielleicht sogar spannender waren, tatsächlich dort, wo sich wie bei "Suez Canal" Alt und Neu zu einer eigenen Wirklichkeit vermischen. Das dabei entstehende Ägypten-Bild ist nicht kritisch, sondern fiktional, utopisch. Und tatsächlich will der sufistisch geprägte Künstler vorwiegend die positiven Seiten der Gesellschaft ausdrücken. Als wirklichen "Revoluzzer" sah er sich wohl auch 2012 nicht. Und das mag erklären, warum er aktuell im Staatsauftrag ein neues Stadion in der seit 2015 entstehenden "Neuen Verwaltungshauptstadt" gestalten darf. Man kann das ambivalent sehen, oder wie Alaa Awad auf die Zukunft hoffen. Zu dieser gehört, dass Awad Mitte Januar nach München kommen wird, um live vor Ort ein neues Wandbild zu kreieren.

An Egyptian Story. Paintings by Alaa Awad, bis 5. März, Staatliches Museum Ägytischer Kunst, Gabelsbergerstraße 35, www.smaek.de

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