Terminklau mit Bots:Betrüger verkaufen Notfalltermine der Ausländerbehörde

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Die Ausländerbehörde der Stadt München ist im Kreisverwaltungsreferat (KVR) angesiedelt. Die Nachfrage nach Terminen dort ist hoch. (Foto: Leonie Asendorpf/dpa)

Programmierer machen sich zunutze, dass die Termine in der Münchner Ausländerbehörde heiß begehrt sind.  Die spricht von einem Katz-und-Maus-Spiel mit den Betrügern. Abschalten will sie die Online-Reservierung trotzdem nicht.

Von Poul Heintzenberg

„Könnten wir wenigstens jemanden bezahlen, um einen Termin zu bekommen?“, fragt ein User im Messenger-Dienst Telegram. Wie viele andere sucht der junge Mann händeringend nach einem Termin bei der Münchner Ausländerbehörde. Diese Verzweiflung machen sich nun Betrüger zunutze. Mit Bots, also automatisierten Computerprogrammen, ergattern sie die begehrten Termine und bieten sie anschließend im Internet zum Kauf an. Bedarf gibt es genug.

Betroffen seien die Notfalltermine der „Servicestelle für Zuwanderung und Einbürgerung“, berichtet die Pressesprecherin des zuständigen Kreisverwaltungsreferats (KVR), Beate Winterer. Für die Antragssteller geht es oftmals um viel – das ablaufende Visum, die dringend benötigte Arbeitserlaubnis.

Das wissen auch die Betrüger. Mit Bots reservieren die Täter Termine in Sekundenschnelle, unmöglich für einen Menschen da mitzuhalten. Anschließend machen sie diese in Chatgruppen oder Foren zu Geld. Erstmals wurde dies durch Berichte von Funk öffentlich.

Wer hinter dem Betrug steckt? Der BR zitiert KVR-Leiterin Hanna Sammüller-Gradl, die von „Bots aus unterschiedlichen osteuropäischen Ländern“ und einem Katz-und-Maus-Spiel spricht: „Jedes Mal, wenn wir eine Sicherheitsschranke mehr einführen, lassen sich die osteuropäischen Programmierer was Neues einfallen.“

Möglich wird der Terminhandel auch dadurch, dass München – anders als andere Städte – überhaupt Notfalltermine online anbietet. Dieses System soll auch beibehalten werden, da sich früher lange Schlangen vor dem KVR bildeten. Hanna Sammüller-Gradl: „Zu dem System wollen wir nicht zurück.“

In den Chatgruppen, in denen sich Betroffene austauschen, sind die Meinungen gespalten. Einige ziehen aufgrund ihrer Frustration den Kauf eines Termins in Erwägung, andere wehren sich. „Ich würde jedes Angebot melden. Die nehmen alle Termine und lassen keinen für uns“, schreibt eine Userin.

Laut Stadt sei zwar nur ein geringer Teil der Termine betroffen, etwa 30 im Monat, das KVR und das IT-Referat arbeiteten aber an einer schnellen Lösung. Man habe bereits komplexere Captchas und eine Terminbestätigung per E-Mail eingeführt. Außerdem habe man die Möglichkeit einer Datenänderung nach der Buchung ausgeschlossen.

Laut Winterer zeigten die Maßnahmen Wirkung: „Die Anzahl der durch Bots gebuchten Termine konnte bereits erheblich minimiert werden.“ Der Verkauf von Terminen werde zur Anzeige gebracht. Das Polizeipräsidium München bestätigt ein laufendes Ermittlungsverfahren.

Kritik am KVR kommt aus der Rathaus-Opposition. „Die Online-Terminvergabe soll es leichter machen, einen Termin zu bekommen – nicht teurer“, so Manuel Pretzl, Vorsitzender der CSU/FW-Fraktion im Münchner Stadtrat. Die Christsozialen sehen ein übergeordnetes Problem: „Die Negativ-Schlagzeilen aus dem KVR häufen sich extrem: gefälschte Unterschriften auf Führerscheinen, Korruption im Asylbereich, Fälschungen bei Erste-Hilfe-Kurs-Nachweisen für Führerscheine und jetzt noch illegaler Handel mit freien Terminen.“

KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl. (Foto: Catherina Hess)
CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. (Foto: Florian Peljak)

Dies schade „dem Ruf der Stadt München“. Die CSU fordert Aufklärung, seit wann das Bot-Problem besteht und warum es bislang nicht behoben werden konnte – und attackiert Sammüller-Gradl, die dem KVR seit Juli 2022 vorsteht: „Warum kriegt die Referentin ihren Laden nicht in den Griff?“, fragt Pretzl, was allerdings auch parteipolitisch motiviert sein dürfte: Sammüller-Gradl ist Mitglied der Grünen.

KVR-Pressesprecherin Winterer verweist auf die Erfolge der vergangenen Jahre. Man habe die Verfügbarkeit von Terminen deutlich verbessert, im Bereich „Aufenthaltserteilung, -prüfung und Vollzug“ um fast 60 Prozent. Zudem gebe es Möglichkeiten, wie Menschen schnell und einfach an Termine kommen könnten, etwa durch das Servicetelefon.

Auf das verweisen auch Betroffene auf Telegram. Viele berichten, dass sie telefonisch schnell an einen Termin gekommen seien.

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