Süddeutsche Zeitung

Auktion geplatzt:Nazi-Raubgut doch nicht versteigert

  • Das Münchner Auktionshaus Zisska & Lacher wollte eine kostbare hebräisch-aramäische Rabbinerbibel versteigern.
  • Nach scharfer Kritik hat es nun das Buch zurückgezogen.

Von Jakob Wetzel

Die Versteigerung ist geplatzt: Die wertvolle Rabbinerbibel aus dem 16. Jahrhundert, die der jüdischen Gemeinde Münchens in der Reichspogromnacht 1938 von den Nazis geraubt worden ist und sich heute in Privatbesitz befindet, sei am Donnerstag gar nicht erst aufgerufen worden, heißt es vom Auktionshaus Zisska & Lacher. Das Los sei im Einvernehmen mit der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) zurückgezogen worden, um es dieser wieder zuzuleiten, erklärt Geschäftsführer Wolfgang Lacher.

Wie berichtet, hatte das auf Kunst und Bücher spezialisierte Haus das auf 15 000 Euro geschätzte Werk ursprünglich bei seiner noch bis Samstag laufenden Herbstauktion angeboten. Die Israelitische Kultusgemeinde hatte die Auktion scharf kritisiert: Sie sei die rechtmäßige Eigentümerin und hätte das Buch gerne zurück.

Die Bibel stammt aus der Bibliothek des früheren Münchner Gemeinderabbiners Cossmann Werner, der seine Sammlung 1906 der Gemeinde schenkte. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 entwendete die Gestapo die etwa 10 000 Bände umfassende Bibliothek. In den Fünfzigerjahren gab die Münchner Stadtbibliothek etwa 1200 der Bücher an die IKG zurück; diese verbrannten jedoch bei dem bis heute ungeklärten Anschlag auf das jüdische Altenheim an der Reichenbachstraße 1970, bei dem sieben Menschen starben.

Heute stehen die geraubten Bände in Bibliotheken und Antiquariaten in verschiedenen Ländern. Seit einem Jahr sucht eine Historikerin für die IKG nach den Büchern. Bislang wurden 19 Bücher restituiert. Das Auktionshaus hatte die IKG im August von sich aus von der Auktion in Kenntnis gesetzt. Die Gemeinde bat daraufhin darum, einen Kontakt zum Anbieter des Buches zu erhalten. Dieser Kontakt kam jedoch bis zu der nun geplatzten Auktion nicht zustande. IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte am Donnerstag, sie freue sich darüber, dass die Rabbinerbibel aus der Auktion herausgenommen wurde, und hoffe, dass die Gemeinde das Buch als Leihgabe erhalten könne.

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Quelle:
SZ vom 08.11.2019/mmo
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