Er hat zahlreiche prominente Fälle verhandelt, nun ist er selbst verurteilt worden: Ein früherer Richter des Oberlandesgerichts München hat seinen Job verloren, weil Ermittler bei ihm mehr als 4000 Dateien mit kinderpornografischem Material entdeckten. Der 59-Jährige hat sich Material aus dem Darknet und in vier Fällen sogar aus einschlägigen Strafakten besorgt, auf die er wegen seiner beruflichen Stellung Zugriff hatte. Der Mann ist nun zu einer Geldstrafe verurteilt worden, womit er Glück hatte: Der Strafrahmen für derartige Vergehen ist kürzlich angehoben worden, auf eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr - die Strafverschärfung galt in diesem Fall knapp nicht.
"Auch dieses Verfahren beweist, dass die Täter im Deliktsbereich Kinderpornografie aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen", sagt Thomas Goger, Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg. Dort ist die bayerische Zentralstelle Cybercrime angesiedelt, Goger verantwortet die Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet. Die Ermittlungen gegen den Richter, der lange in Augsburg gearbeitet hat, starteten im Mai 2020 nach Auskunft Gogers aufgrund von Hinweisen aus dem Ausland. Der Richter stand demnach im Verdacht, im Jahr 2019 "auf einer Plattform im Darknet angemeldet gewesen zu sein, deren ausschließlicher Zweck in der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte lag".
Im Zuge einer Durchsuchung stellten Ermittler im Juni 2020 Beweismaterial sicher. Die Dateien waren so umfangreich, dass IT-Forensiker monatelang damit beschäftigt waren sie auszuwerten. "Im Rahmen dieser Auswertungen hat sich der Verdacht bestätigt", sagt Goger. Die Ermittler entdeckten auch, dass der 59-Jährige seine Stellung als Richter missbrauchte, um sich Inhalte aus Strafakten zu Kinderpornografie-Fällen zu beschaffen. Unter anderem deshalb ist der Täter nicht nur wegen Besitzes, sondern auch wegen Eigenverschaffung von kinderpornografischen Inhalten verurteilt. Goger betont aber, dass der Mann laut Ermittlungsergebnissen entsprechende Inhalte nicht an Dritte weitergegeben habe, was den Strafrahmen verschärft hätte.
Das Verfahren zeige, dass sich niemand sicher sein könne, in der vermeintlichen Anonymität des Darknets dauerhaft vor Enttarnung sicher zu sein, sagt Goger. Erst im Oktober 2020 gründete Bayerns Justizminister Georg Eisenreich in Bamberg das "Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch" (ZKI), um genau solche Verfahren wie gegen den ehemaligen Richter voranzutreiben. Das ZKI ist unter dem Dach der 2015 gegründeten "Zentralstelle Cybercrime Bayern" angesiedelt und für besonders komplexe oder schwerwiegende Fälle der Kinderpornografie im Freistaat zuständig. An der Zentralstelle war bereits seit 2018 eine Arbeitsgruppe auf die Verfolgung von Kinderpornografie spezialisiert. Seit knapp einem Jahr machen nun acht statt bisher vier Spezial-Staatsanwälte "Jagd auf Pädokriminelle", wie es damals in einer Mitteilung des bayerischen Justizministeriums hieß.
Die Staatsanwälte werden unterstützt von IT-Spezialisten und arbeiten eng mit Ansprechpartnern für Internetkriminalität bei den bayerischen Staatsanwaltschaften sowie dem Landeskriminalamt, Bundeskriminalamt und internationalen Ermittlungsbehörden zusammen. Oberstaatsanwalt Goger ist laut Minister Eisenreich ein "versierter und international bestens vernetzter Strafverfolger". In Fällen solcher Art gibt es häufig Hinweise aus dem Ausland.
Nach Abschluss der laut Goger "sehr aufwendigen Ermittlungen" im Fall des 59 Jahre alten ehemaligen Richters des Oberlandesgerichts München wurde im Juni 2021 ein Strafbefehl beantragt, der seit Anfang Juli rechtskräftig ist. Der ehemalige Richter wurde zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt, also 4500 Euro, und gilt damit als vorbestraft. Der Tagessatz ist deshalb so niedrig, weil der Täter zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs bereits freiwillig ohne Ansprüche aus dem Justizdienst ausgeschieden war und so eine höhere Geldstrafe umgehen konnte. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist das aktuelle Nettoeinkommen zum Zeitpunkt der Verurteilung entscheidend. Zulasten des Verurteilten bei der Strafbemessung geht laut ZKI die sehr hohe Anzahl kinderpornografischer Bilder und einiger Videos, aber auch die Art der dargestellten Inhalte und der eklatante Missbrauch der dienstlichen Stellung. Zugunsten des Verurteilten sprachen das Geständnis, das straffreie Vorleben und dass der Mann wegen seiner Taten bereits seinen Beruf verloren hat.
Wären ihm derartige Taten später nachgewiesen worden, wäre er nicht um eine Freiheitsstrafe herumgekommen. Seit 1. Juli gilt für den bloßen Besitz kinderpornografischer Inhalte, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.