München auf Youtube:Nacktsurfen und "Crazy drinking"

Zipfelsurfer am Eisbach, die Sportfreunde Stiller im Englischen Garten oder "crazy drinking at the Oktoberfest" - unter dem Stichwort "München" ist bei Youtube einiges geboten.

Beate Wild

Als erstes taucht der Chinesische Turm auf, dann das Siegestor. In der dritten Einstellung erscheint ein "Taxi German Style". Es folgen Fahrradfahrer auf dem Odeonsplatz mit dem Untertitel "always bike riding", die Theatinerkirche, die Auslage eines Trachtengeschäfts und der Stachus ("busiest part of Munich"). Nein, das ist kein Werbefilm für die Stadt an der Isar, sondern das Video "Kait's Deutschland Diaries - Munich" auf www.youtube.de.

München auf Youtube

Die "Zipfelsurfer am Eisbach" - eines von vielen München-Videos bei Youtube.

(Foto: Foto: Screenshot Youtube)

Gerade mal drei Jahre ist das Internetportal alt, auf dem jeder seine Videos hochladen und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen kann. Innerhalb kürzester Zeit ist Youtube zu einer der größten Erfolgsstorys im Web 2.0 geworden. Auf der Seite findet man so ziemlich alles: Spaßfilmchen, Videos von Unfällen, Selbstporträts, Musikclips oder die wichtigsten Torszenen des Lieblingsvereins vom vergangenen Wochenende.

Stottern und Lallen

Und auch wenn man den Namen "München" eintippt, spuckt die Suchmaschine von Youtube einiges aus - zum Beispiel Kait's München-Tagebuch. Der Beitrag stammt von Kaitlyn, einer jungen Studentin aus Kalifornien, die einige Zeit in München gelebt und ihre Erinnerungen ins Netz gestellt hat. Bilder von den schönsten Plätzen der Stadt, Biergartenszenen mit Maßkrug und Riesenbreze. So, wie sich die Auswärtigen München halt vorstellen. Unterlegt ist der Clip mit dem Song "Tu nur das, was dein Herz dir sagt" von der lokalen Popband Sportfreunde Stiller.

Der München-Fundus bei Youtube ist schier unerschöpflich: "Crazy drinking at the Oktoberfest", Stoibers Rede zum Transrapid, eine Polizeirazzia im Club "Die Registratur", Schuhplatteln beim Junggesellenabend, eine nächtliche Taxifahrt mit geschätzten drei Promille durch München oder ein Werder-Fan, der versucht, seinem dreijährigen Sohn die Worte "Scheiß Bayern München" beizubringen.

Äußerst beliebt, sowohl bei einheimischen als auch bei ausländischen Youtube-Usern, ist das "Munich Eisbach Surfing". Unter dem Stichwort Eisbach findet das Videoportal mehr als 150 Beiträge. Das Angebot reicht vom "Eisbach River Surf Munich" über "Surfen bei Nacht" bis hin zu "Zipfelsurfer am Eisbach". Bei letzterem handelt es sich übrigens um fünf Nacktsurfer, die händchenhaltend eine Reihe auf der Welle bilden. Ja, auch so etwas gibt es in München.

Oder der Geheimgig der Sportfreunde Stiller im vergangenen Juli, als die drei Jungs vor einem völlig überraschten Publikum in Badeklamotten am Eisbach spontan ein paar Songs zum Besten gaben. Wer wüsste heute schon davon, wenn es die Plattform Youtube nicht gäbe. Früher musste man zufällig vor Ort sein, um ein solches Spektakel mitzubekommen. Heutzutage kann man sich darauf verlassen, dass schon irgendwer da sein wird, der es abfilmt und später ins Netz stellt.

Nacktsurfen und "Crazy drinking"

Seit auch die Handys mit Videokameras ausgestattet sind, ist nichts mehr vor dem Voyeurismus der Internetnutzer sicher. Das musste beispielsweise Supermodel Kate Moss erfahren, als sie beim Koksen mit ihrem damaligen Freund Pete Doherty gefilmt wurde und das Video kurz danach im Netz auftauchte.

Drogenpartys von Prominenten kann man unter dem Stichwort München zwar bislang nicht finden, dafür jede Menge anderer Clips von Hobbyfilmern - von belanglos bis witzig ist alles dabei. Etwa der Winterspaziergang des spanischen Studenten "sikotempro", der unter dem Titel "Blanca navidad en München" seiner Begeisterung über die verschneite, weihnachtliche Stadt Ausdruck verleiht. Oder zwei offensichtlich stark angetrunkene Burschen, die ihren nächtlichen Heimweg vom P1 gefilmt haben: Während der eine lauthals den FC-Bayern-Song "Stern des Südens" grölt, versucht ihn der andere mit Rücksicht auf die schlafende Anwohner vom Singen abzubringen.

Großes Thema auf Youtube ist selbstverständlich das Hofbräuhaus. Touristen aus der ganzen Welt besuchen den Biertempel am Platzl und die meisten von ihnen sind fasziniert von der Stimmung und dem bayerischen "savoire-vivre". Gefilmt wird, was vor die Kamera kommt: die Blaskapelle, die Bedienung, andere Gäste, die auf den Bänken tanzen, und besoffene Kumpel, die kaum mehr den Weg nach draußen finden.

Rapper aus Grünwald

Mittlerweile ist auch kein Geheimnis mehr, dass man durch das Internet richtig berühmt werden kann. Die 14-jährige Münchnerin Mina hat es vorgemacht. Ihr Musikvideo "How the angels fly" hatte sie ins Netz gestellt und wurde über Nacht zum gefragten Nachwuchsstar, weil über drei Millionen User ihren Song hören wollten.

Man stößt auf der Suche nach München-Clips auch auf "Die Stehkrägen". Die Münchner Hip-Hop-Gruppe des Labels Aggro Grünwald sorgte im vergangenen Jahr für einigen Zündstoff. Mit ihrem Song "Eure Armut kotzt uns an" persiflieren die vier Jungs die Münchner Schickeria. Mit Textzeilen wie "Ob im Einser, 8 Seasons, Parkcafé oder Lardys, mit dem Geld von meinem Dad schmeiß ich die dicksten Partys" oder "Meine Rechnungen begleich ich nur mit schwarzer Express, hab' in Münchens Nobel-Läden all area access" provozierten sie die Youtube-Nutzer und ernteten dafür Lob oder Hasstiraden.

Oftmals filmen Youtube-Nutzer Konzerte oder Klubabende mit, um andere Musikfreunde an dem Ereignis teilhaben zu lassen. Wer Cure im Februar oder Portishead im April verpasst hat, kann sich die Auftritte im Netz ansehen - freilich meist mit verwackeltem Bild und in schlechter Tonqualität.

Aber auch ganz persönliche Erinnerungen, die nur einen sehr kleinen Personenkreis interessieren dürften, sind auf Youtube präsent. Da kann man mitansehen, wie beim letzten gemeinsamen Abendessen der Erasmus-Studenten die Tränen fließen und bei der Grillparty an der Isar das Bier. Ob die Gefilmten immer wissen, dass sie danach im Internet zu bewundern sind, ist die andere Frage. Sollte also das nächste Mal auf einer Feier jemand mit einer Kamera herumlaufen und filmen, ist möglicherweise Vorsicht geboten.

(SZ vom 6. Mai 2008)

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