Süddeutsche Zeitung

München:Auf der grünen Welle

Die Landtagswahl hat die Öko-Partei in München stark gemacht. Mit diesem Elan will der Ortsverband im Norden in den Kommunalwahlkampf ziehen

Von Jerzy Sobotta

Wenn er von der Landtagswahl spricht, dann kann Lucas Kripp seinen Stolz nur schwer verbergen. Er hat viel dazu beigetragen, dass die Grünen in München zur stärksten Kraft geworden sind. Zusammen mit seiner Parteikollegin Lyn Faltin hat er den Wahlkampf in den nördlichen Stimmkreisen Moosach und Milbertshofen organisiert. Erfolgreich, denn mit 26 und 35 Prozent haben die Grünen dort mehr Stimmen als CSU und SPD geholt und die grünen Direktkandidaten in den Landtag geschickt. Ein Höhenflug, der das Duo für die Kommunalwahl im Frühjahr 2020 anspornt.

Bei einem Arbeitsfrühstück werben die beiden Sprecher des Ortsverbands Nord neue Mitglieder an. Trotz klirrender Kälte sind acht Interessenten ins Schwabinger Stadtteilbüro gekommen. Kripp begrüßt bei Kaffee und Croissants und hält sofort Small Talk. Wie man sich als Neuling fühlt, weiß er noch allzu gut. "Ich habe den Wahlkampf im Norden geleitet, da war ich gerade einmal ein Jahr Parteimitglied", sagt der 31-Jährige. Er kann sich noch gut an den Tag erinnern, an dem er den Antrag ausgefüllt hat. Das war der 24. September 2017, Bundestagswahl. Danach ging alles ganz schnell. Er ist zu Treffen gekommen, dann zu Sitzungen des Ortsvorstands. Dessen alte Chefs haben im Mai 2018 ihre Posten geräumt und der Jugend das Feld überlassen. Seitdem sind Kripp und die 33-jährige Faltin die Sprecher, haben die wichtigsten Positionen im Ortsverband.

"Jetzt weht frischer Wind", sagt Kripp. Konkret heißt das: Veranstaltungen in hippen Cafés, mehr soziale Medien, mehr Digitales, mehr Demos. Bei dem Arbeitsfrühstück wird viel von "Pragmatismus", "visionärer Realpolitik" und der "Mehrheitsgesellschaft" gesprochen. Und selbst Uwe Reimer, ein Mitglied, dem Cannabis-Legalisierung am Herzen liegt, stellt sich als "Hanf-Unternehmer" vor.

Rund 120 Mitglieder hat der Ortsverband heute. Das sind doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren. Und das bedeutet auch: Doppelt so viele Freiwillige, die plakatieren, an Türen klingeln und an Infoständen in den Einkaufsstraßen stehen. "Das Wichtigste ist, dass man sich beschäftigt hält und keine Leere aufkommen lässt", sagt Faltin und präsentiert einen straffen Zeitplan: Erst steht die Europawahl an, im Juli wird das Programm für die Kommunalwahl beschlossen, im Herbst werden die Listen aufgestellt und im Winter der Wahlkampf für München geplant.

Lucas Kripp fährt sich mit der Hand durch den Kinnbart. Die Augen unter seinen dunkelbraunen Locken strahlen vor Zuversicht. Obwohl er selbst noch keine zwei Jahre dabei ist, coacht er schon die Parteineulinge. "Die Leute kommen wegen zwei Themen zu uns: der Umweltpolitik, und weil sie gegen den Rechtsruck sind", berichtet er. Auch sein Parteikollege Moritz Issig bestätigt das. Der 24-Jährige ist Informatikstudent und seit Sommer bei den Grünen. Er schaut verstohlen auf die Wand, an die ein Beamer die Stadtbezirksnummern an die Wand projiziert: 10 für Moosach, 24 für Feldmoching-Hasenbergl und 11 für Milbertshofen-Am Hart. Das sind die Nummern der Stadtbezirke, für die der Ortsverband Nord zuständig ist.

Dass die Arbeit in den Stadtvierteln nicht immer ganz so spannend klingt wie das Wort Digitalisierung oder eine Demo gegen rechts, wissen auch die Referenten. Ein Bundestagsabgeordneter und drei grüne Lokalpolitikerinnen aus den Bezirksausschüssen sind gekommen, um die Neulinge auf Kommunalpolitik einzuschwören. Um Ärger mit Straßenampeln, Baumfällungen und Fahrradwege gehe es da. Ob das auch den Informatikstudenten interessiert? "Da kann man die kleinen Sachen vor Ort lösen", sagt er. Ganz überzeugt klingt er dabei allerdings nicht.

Doch Lyn Faltin zweifelt nicht daran, dass man die Neuen auch für lokale Themen begeistern wird. Schließlich gebe es gerade im Münchner Norden große Projekte, bei denen man grüne Kernthemen stark machen müsse. Doch dabei werde die Partei an Altbewährtem festhalten, trotz aller personeller Verjüngung: Einen Tunnel zwischen Schleißheimer Straße und A 99 soll es nicht geben. Das Geld wollen die Grünen lieber in mehr Radwege und den Ausbau der U-Bahnen stecken. Auch wollen sie keine Neubaugebiete oder neue Gewerbeflächen. Sie lehnen daher die großen Entwicklungsvorhaben in Feldmoching ab. Wohnungen sollten nur auf bereits versiegelten Flächen wie auf Parkplätzen und Supermärkten gebaut werden.

Dass sich für den Kommunalwahlkampf auch die CSU jung und umweltbewusst gibt, sei für die Grünen keine Gefahr, sagt Lyn Faltin. Sie fügt selbstbewusst hinzu: "Wir sind die stärkste Kraft in München und mit CSU und SPD auf Augenhöhe. So werden wir auch den Wahlkampf führen."

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Quelle:
SZ vom 23.01.2019
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