Bürgerdialog in Aubing:Ein Dorfplatz für alle

Bürgerdialog in Aubing: Wimmelbild mit Wünschen: Wie der Aubinger Dorfplatz einmal aussehen soll, wird seit Langem von den Bürgern diskutiert.

Wimmelbild mit Wünschen: Wie der Aubinger Dorfplatz einmal aussehen soll, wird seit Langem von den Bürgern diskutiert.

(Foto: Werner Dilg)

Baumwipfelpfad, Basketballplatz, Biergarten: Die Aubinger haben viele Ideen, wie die Ortsmitte an der Ubostraße einmal aussehen soll. Aber noch ist offen, was die Rahmenbedingungen zulassen.

Von Ellen Draxel

"Zündstoff zu haben, ist gut", sagt Stadträtin Julia Post (Grüne). "Denn wo es Konflikte gibt, können wir auch als Gesellschaft Erfolge erringen." Immer vorausgesetzt, es wird offen diskutiert. Und alle Beteiligten sind in die Debatte involviert. An Streitpunkten mangelt es an diesem Freitagabend nicht. Post sitzt mit ihrer Stadtratskollegin Heike Kainz (CSU) auf dem Podium in Aubings Pfarrzentrum St. Quirin, es geht um die Neugestaltung des benachbarten Areals an der Ubostraße 7-9.

Dort, wo momentan noch Autos eine Kiesfläche als Parkplatz nutzen, gegenüber der mehr als 500 Jahre alten Pfarrkirche, soll Aubings künftiger Dorfplatz entstehen. Oder doch eher ein moderneres Quartierszentrum? "Das eine muss das andere ja nicht ausschließen", sagt Kainz. "Viertel sind immer dann lebendig, wenn man Vielfalt hat."

Ein Treffpunkt für die Gemeinschaft soll der Platz werden, ein einladender Ort mit Aufenthaltsqualität, mit Bänken und Grün, vielleicht einem Brunnen und Gastronomie. Darin sind sich alle einig, die an diesem Abend, der letzten Veranstaltung einer umfassenden Bürgerbeteiligung, mit dabei sind. Zuvor hat es bereits 13 andere Termine und eine schriftliche Befragung gegeben, fünf Monate lang hat das Stadtteilmanagement von Aubing, Neuaubing und der Siedlung am Westkreuz die Meinung von 800 Aubingern und Aubingerinnen aller Altersklassen eingeholt.

Bürgerdialog in Aubing: Derzeit ist die Kiesfläche vor der Kirche vor allem ein Parkplatz.

Derzeit ist die Kiesfläche vor der Kirche vor allem ein Parkplatz.

(Foto: Stephan Rumpf)

In 198 Bastelarbeiten beispielsweise, geschaffen an vier Tagen, haben Schulkinder aus der Gotzmannschule und dem Spielhaus am Westkreuz dokumentiert, welche Angebote sie sich für Aubings künftigen Dorfplatz vorstellen könnten. Es gibt Varianten mit einem Bodentrampolin, mit Schaukeln, Balancierstrecken oder einem Barfußpfad. Das Siegermodell der Kinderbeteiligung zeigt einen Baumwipfelpfad: Jeweils vier übereinander geklebte und mit Moos als Baumkrone verzierte Weinkorken sollen Bäume darstellen, die über Wege in luftiger Höhe miteinander verbunden sind. Leitern führen in den Pfad hinauf, über eine Rutsche kann man den Kletterparcours wieder verlassen.

Die Jugendlichen hingegen wünschen sich eher einen Basketballplatz, eine Skateanlage oder eine Kletterhalle. Sie plädieren aber auch für einen sicheren Übergang über die Georg-Böhmer-Straße, etwa mittels einer Brücke. Ihre Ideen haben die jungen Leute unter anderem mithilfe des Computerspiels Minecraft dargestellt und anschließend in 3-D-Modellen ausgedruckt.

Bürgerdialog in Aubing: Beim Bürgerdialog am Wochenende ging es nicht nur um Visionen, sondern auch um die Komplexität der Neugestaltung.

Beim Bürgerdialog am Wochenende ging es nicht nur um Visionen, sondern auch um die Komplexität der Neugestaltung.

(Foto: Stephan Rumpf)

Speziell befragt wurden auch die Senioren. Sie wollen vor allem das Grün erhalten wissen, plädieren für generationenübergreifende Aktivitäten, Barrierefreiheit, attraktive Fußwege und öffentliche Toiletten. Aubings zahlreiche Vereine sollten ihrer Ansicht nach den Dorfplatz für Veranstaltungen nutzen können, es müssten aber auch noch ein paar Parkplätze für Kirchenbesucher vorgesehen werden. Auf den Großteil der Stellplätze am Bahnhof, die ohnehin kaum genutzt werden, kann verzichtet werden, finden sie. Schön wären dort aber ein Kiosk mit Ausschank, Fahrradabstellplätze mit Solardach und E-Ladestationen. Andere Ideen aus der Befragung schlagen einen Biergarten vor, eine Eisdiele, ein Café.

Julia Post ergänzt die Palette am Freitag um die Vision eines genossenschaftlichen Gastronomie-Angebots, nach dem Modell eines Mitgliederladens. Stadtrat Fritz Roth (FDP), der im Zuschauerraum Platz genommen hat, schlägt "etwas Kleines, Schickes" vor, eher einen Pavillon mit Selbstbedienung als ein überdimensioniertes Wirtshaus. Auf jeden Fall, so Post, sollte bei der Neugestaltung des Platzes etwas "Identitätsstiftendes, Typisches" entstehen.

Ein Problem ist der THW-Fuhrpark, ein anderes der Reitstall nebenan

Doch ist das möglich, wenn das Technische Hilfswerk seinen Standort an dieser Ecke vergrößern darf? Oder sollte der Garagenplatz für die Fahrzeuge des THW nicht besser anderweitig genutzt werden, für soziale Einrichtungen wie etwa ein Senioren- oder ein Bürgerzentrum? Dieser Punkt sorgt seit Jahren für Zoff, auch an diesem Abend. Dass das THW wie alle Nutzer des Areals an der Ubostraße bleiben sollte, dagegen haben die Kritiker nichts, allen voran der Förderverein 1000 Jahre Urkunde Aubing und die Bürgervereinigung Aubing-Neuaubing.

"Aber dieser riesige Fuhrpark, der noch dazukommen soll, das ist das Problem", erklärt Karin Binsteiner von der Bürgervereinigung beim vorangegangenen Platzfest am 1. Juli. Das Grundstück sei schließlich "ein Filetstück", so nahe an der S-Bahn. "Und Aubing hat große Probleme - es blutet langsam aus. Hier hätte man die Chance, den Stadtteil zu revitalisieren."

Eine Zweiteilung des THW in verbleibende Schulungsräume an der Ubostraße und die Unterbringung der Fahrzeuge andernorts aber funktioniert laut Dienststellenleiter Andreas Bieleck aufgrund des Dienstbetriebs nicht. "Und alternative freie Grundstücke des Bundes, um den gesamten Standort zu verlagern, gibt es nicht. Das haben wir geprüft." Immerhin: Für die Reitstallbesitzerin Andrea Dirndorfer, die lange um ihre Zukunft auf dem Areal bangte, ist die jüngste Überlegung "durchaus vertretbar". Die sieht vor, die Belandwiese und eine Fläche mit abzureißenden Häusern hinter dem THW als Koppel mitzunutzen.

Auch der Bahnhof und die Verbindung nach Neuaubing müssen berücksichtigt werden

Dass das Thema komplex ist, weil es dabei neben dem Dorfplatz und der Neuordnung des Areals Ubostraße 7-9 auch noch um Lösungen für den Bahnbereich und insbesondere um eine barrierefreie Verbindung nach Neuaubing geht, ist den anwesenden Stadträten bewusst. "Wir brauchen hier quasi die eierlegende Wollmilchsau", sagt Kainz. Oder, wie Post sich ausdrückt, den "mopsgedackelten Windhundspitz". Angesichts der Tatsache, dass die Gestaltung des Dorfplatzes noch sieben Jahre aus Städtebaufördermitteln finanziert werden könnte, plädiert Kainz zudem dafür, dessen Realisierung sofort anzugehen. Und den Rest "step by step" nachzuziehen.

Mitglieder des Fördervereins dagegen wünschen sich einen Bebauungsplan für das Gesamtareal, halten eine scheibchenweise Vorgehensweise für wenig sinnvoll. Zumal man Fördermittel verlängern könne. "Ich habe das selbst gemacht", betont Werner Dilg, früher bei der Regierung von Oberbayern für Stadtsanierungen zuständig. Kerstin Oertel von der Münchner Stadtsanierung widerspricht. "Inzwischen dringt der Bundesbauminister darauf, Fördermittel künftig nur noch für zehn statt wie bisher für 15 Jahre zu genehmigen." Von Verlängerungen ganz zu schweigen. Ein städtebaulicher Wettbewerb sei daher die sinnvollere Entscheidung. Er müsse nur eben "so gestaltet werden, dass die Schnittstellen gut funktionieren". Noch ist die Planung ganz am Anfang. Die Bürgerbeteiligungs-Ergebnisse sollen jetzt in eine Beschlussempfehlung für den Stadtrat für das weitere Vorgehen eingearbeitet werden.

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