Der Münchner Westen bekommt ein weiteres Wohnquartier. Es liegt nördlich des derzeit entstehenden Viertels Freiham mit seinen bis zu 30 000 Bewohnern und der S-Bahn-Linie 4 sowie westlich des alten Aubing. Dort haben die städtischen Planer eine bislang vor allem landwirtschaftlich genutzte Fläche ausgemacht, die aus ihrer Sicht bestehende Siedlungsvorhaben ideal ergänzt. Auf dieser Fläche sollen 1200 weitere Wohnungen für etwa 3100 Menschen entstehen. Trotz zum Teil erheblicher Proteste von Politikern und Anwohnern aus dem Münchner Westen hat der Stadtrat mit den Stimmen der Grünen und der Sozialdemokraten nun für den Bau gestimmt.
Damit folgen die Stadträte im Planungsausschuss mehrheitlich den Argumenten von Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Die Brachfläche zwischen dem bestehenden Siedlungsrand und der Autobahnumgehung A 99 dränge sich als Arrondierung bestehender und noch geplanter Wohngebiete regelrecht auf. Die dabei zu berücksichtigenden Verkehrsprobleme hält die Planungsbehörde nach Fertigstellung eines umfassenden Verkehrsgutachtens für beherrschbar. „Wir haben hier immerhin einen S-Bahn-Halt“, sagte Merk in der Sitzung. „Das ist kein weit entferntes Niemandsland.“
Vorangetrieben werden soll die bisher als Variante 6 bekannte Verbindung zwischen Freiham und Aubing, um damit zugleich das neue Quartier zu erschließen. Diese Variante sieht eine neue Nord-Süd-Achse für den Autoverkehr vor: Die Aubinger Allee soll quer durch das neue Siedlungsgebiet bis zur Eichenauer Straße verlängert werden und dort den Verkehr in das bestehende Straßensystem einspeisen.
Wobei die Eichenauer Straße Richtung Puchheim dann eventuell für den Auto-Durchgangsverkehr gesperrt werden könnte, sofern sie als Radschnellweg realisiert wird. Eine Fortführung der neuen Trasse weiter nach Norden beziehungsweise Nordosten, wie sie zwei ebenfalls untersuchte Varianten zugrundelegen, wird nun endgültig verworfen: Die sogenannten Planvarianten 7 und 7a seien wenig wirksam, teuer und hätten größere Eingriffe zur Folge.
Im Viertel hat sich gegen diese Pläne Widerstand formiert. Bei einem Lokaltermin im April, wenige Tage vor einer Sitzung des Planungsausschusses, bei der das Thema dann vertagt wurde, forderten Oppositionspolitiker aus dem Stadtrat gemeinsam mit dem Bezirksausschuss Aubing-Lochhausen-Langwied zum wiederholten Male, die Planung zum jetzigen Zeitpunkt auszusetzen. Zu wichtig sei die Brachfläche als Naherholungszone für die weiter zunehmende Bevölkerung – gerade weil der geplante Landschaftspark noch nicht zur Verfügung stehe. „Sollen die Leute im Kreis gehen?“, fragte der Bezirksausschuss-Vorsitzende Sebastian Kriesel (CSU) damals.

Vor dem Planungsausschuss wiederholte er jetzt den Standpunkt des Stadtteilgremiums. „Mit Freiham haben wir ein sehr großes Neubaugebiet, das eine Herausforderung für den gewachsenen Stadtteil ist. Das Grünband dort ist jetzt schon voll, dabei wohnen in Freiham erst 6000 Menschen.“ Zudem mangele es an Schulen und Kitas. „Und der Verkehrsanschluss“, ist Kriesel überzeugt, „wird so nicht funktionieren. Damit ziehen wir noch mehr Autos an, als jetzt schon da sind“. Rückendeckung bekam Kriesel von Dirk Höpner (München-Liste), der nicht nur klimatische und ökologische Bedenken gegen eine zusätzliche Bebauung und damit Versiegelung äußerte, sondern auch die „Wahnsinnsgeschwindigkeit“ kritisierte, mit der sich ein Stadtteil fast verdoppele. „Es geht auch um Überforderung“, sagte Höpner. Auch Heike Kainz (CSU) stellte sich hinter den Bezirksausschuss-Chef, ebenso wie Jörg Hoffmann (FDP). Erst gelte es, die Infrastruktur zu schaffen, bevor man erkennen könne, wie viele Wohnungen ein Gebiet noch vertrage. Mit ihrem Änderungsantrag, den Realisierungswettbewerb das Vorhaben frühestens von 2032 an durchzuführen, konnte sich die FDP aber nicht durchsetzen.
Im Planungsreferat hält man die Fläche bis auf Weiteres zumindest zum Spazierengehen und Radfahren für nutzbar. Und auch der Landschaftspark soll den Bürgerinnen und Bürgern laut Beschlusspapier „nach dem mit allen Beteiligten abgestimmtem Rahmenterminplan“ für einen ersten Abschnitt „voraussichtlich ab Ende 2027 zur Verfügung stehen“.
Die Furcht vor der Verkehrslawine teilen Experten nicht
Die weit verbreitete Furcht der Anwohner, zusätzlicher Autoverkehr werde dem Ortskern Aubings schaden, teilen Verkehrsexperten nicht. Sie erwarten nicht, dass der Verkehr in Variante 6 deutlich zunimmt. Die neue Nord-Süd-Achse sei als Schleichweg von der Autobahn – etwa im Fall einer Blockabfertigung im Aubinger Tunnel – nicht attraktiv genug. Im Übrigen sei ein Ausbau der A 99 gerade in Arbeit.
„Wenn wir mit diesen Argumenten, die heute zu hören waren, arbeiten würden, müssten wir viele Bebauungspläne einstellen, weil wir oft mit Unsicherheiten konfrontiert werden“, sagte SPD-Verkehrsexperte Andreas Schuster. Allein Freiham mache den nördlichen Anschluss notwendig. Die neue Trasse werde ja auch „keine Monsterstraße“, sagte Paul Bickelbacher (Grüne). „Die kann man auch mit Tempo 30 machen.“ Stadtbaurätin Elisabeth Merk hält es für richtig und wichtig, als Kommune bevorzugt eigene Flächen zu entwickeln, auf denen zu hundert Prozent bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden könne.