Süddeutsche Zeitung

Au-Haidhausen:Umstrittene Ausgleichszahlungen

Der Bezirksausschuss Au-Haidhausen fordert, dass Investoren vorgeschriebene Grünflächen auf ihren Baugrundstücken nachweisen müssen - und sich nicht länger von dieser Verpflichtung freikaufen können

Von Johannes Korsche

Die Diskussion um den Grünflächenausgleich in Haidhausen und der Au ebbt nicht ab. Bereits im März wurde Widerspruch deutlich vernehmbar, als die Anwohner des Kroneparks zum ersten Mal hörten, zu was sich die Bayerische Hausbau und die Stadt in der historischen Parkanlage verabredet hatten. Nun legen die Stadtteilpolitiker nach und fordern, in Zukunft den Investoren nicht mehr zu erlauben, die notwendigen Grün- und Erholungsflächen bei ihren Bauvorhaben per Geldzahlung zu kompensieren. Sie sollen diese Flächen - zumindest in der Au und Haidhausen - "auf dem auslösenden Gelände nachweisen", wie es in dem einstimmig verabschiedeten CSU-Antrag im Bezirksausschuss (BA) heißt.

Anlass für die BA-Initiative ist die geplante "Aufwertung" des Kroneparks. Bezahlt von der Bayerischen Hausbau, die auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände nicht ausreichend Freiflächen nachweist. Mitte der 1990er Jahre legte der Stadtrat die zu schaffende Freifläche pro neuen Einwohner auf 17 Quadratmeter öffentliches und 15 Quadratmeter privates Grün fest. Durch "die enorme Notwendigkeit, Wohnraum zu schaffen", baut man allerdings inzwischen lieber dichter. Deswegen passte man die geforderten Quadratmeter an und senkte sie. So müsste die Hausbau laut einem Stadtratsbeschluss vom Juli 2017, der "Orientierungswerte zur Grün- und Freiflächenversorgung" für alle Bauvorhaben in München vorgibt, insgesamt 15 Quadratmeter Grün pro Einwohner schaffen. Zusätzlich weist dieser Stadtratsbeschluss die Verwaltung an, "mögliche Maßnahmen zur Aufwertung oder Ergänzung vorhandener Grün- und Freiflächen" zu prüfen, die der Investor mitfinanziert. Kompensationszahlungen sind daher "kein Ablasshandel", betont Susanne Hutter von Knorring, Leiterin der Grünplanung beim Planungsreferat. Viel eher sei es ein Instrument, um konkrete Maßnahmen für Freizeitflächen im Viertel zu realisieren und trotzdem dicht zu bauen. Auch deswegen habe die Stadt "in der Regel ein Interesse an dem Vertrag", fügt Vogel hinzu.

Wie hoch die Kompensationszahlung im einzelnen Fall ist und wo sie eingesetzt wird, regelt ein sogenannter städtebaulicher Vertrag, eine Art Zusatzvereinbarung zwischen Stadt und Investor. Der Vorschlag für Orte, die man sinnvollerweise aufwerten könnte, kommt vom Bau- und Planungsreferat und werde "im Rahmen der Angemessenheit für die Investoren" festgelegt, sagt Thorsten Vogel vom Planungsreferat. Im Falle des ehemaligen Paulaner-Geländes hat sich die Hausbau zu einer Zahlung in Höhe von etwa 4,4 Millionen Euro verpflichtet. Wie hoch der Betrag tatsächlich sein wird, klärt sich erst mit den Aufwertungen selbst. Neben dem Kronepark, für den um die zwei Millionen Euro eingeplant sind, sollen zum Beispiel auch Teile der Frühlingsanlagen für insgesamt 850 000 Euro aufgewertet werden.

Der Abschluss solcher städtebaulichen Verträge sei in München gängige Praxis, bestätigt Vogel. Vor allem, weil mit diesen Verträgen auch die Vorgaben der sozialgerechten Bodennutzung, die beispielsweise den Anteil an sozialem Wohnungsbau vorgibt, vertraglich festgeschrieben werden. Und eben Kompensationszahlungen für Freizeitflächen. Daher seien "Bebauungspläne mit vereinbarten Kompensationsmaßnahmen nicht nur auf Einzelfälle beschränkt", sagt Vogel.

Genau diese Normalität allerdings stört die Stadtteilpolitiker. Sie finden, dass durch die Kompensationsmaßnahmen "nur der Belegungsdruck auf die vorhandenen Freizeit- und Erholungsflächen erhöht" werde, wie sie in dem Antrag schreiben. Gerade in ihrem Stadtbezirk seien nicht ausreichend öffentliche Grünanlagen und Spielflächen für Kinder und Jugendliche vorhanden, die schon heute im Viertel leben. Die durch neue Wohnbebauung hinzukommenden Jugendlichen, so argumentieren die BA-Mitlieder, könnten nicht auch noch auf die überbelasteten Grünflächen geschickt werden. Dem Investor hingegen ermögliche diese Praxis "eine höhere bauliche Nutzung seines Geländes zum Nachteil der Allgemeinheit". Damit neue Freizeitflächen entstehen, solle der Investor also auf seinem eigenen Gebiet ausreichend Flächen schaffen. Daher fordern die Lokalpolitiker die Stadt auf, keine städtebaulichen Verträge mehr abschließen, die für den Ausgleich bei Grünflächen auf öffentliche Anlagen zugreifen. Prinzipiell sei das möglich, kein Investor könne einen entsprechenden Vertrag einklagen, schließlich gelte auch für die Stadt Vertragsfreiheit, sagt Vogel.

Für ein Anliegen der Stadtteilpolitiker kommt ihre Initiative wohl zu spät. Sie wollen, dass für die Fläche zwischen Ostbahnhof und Haidenauplatz, keine Kompensationszahlungen für Grünflächen in einem städtebaulichen Vertrag beschlossen werden. Dort sollen neben den Bahngleisen bis spätestens 2028 Wohnungen, Büros, Läden und ein Hotel gebaut werden. Aber: "Hier wird es einen städtebaulichen Vertrag geben. Ebenso sind Kompensationsmaßnahmen vorgesehen", sagt Vogel. Es könnte zumindest vorerst das letzte Mal sein. Denn bisher seien keine weiteren Bauprojekte mit Kompensationsmaßnahmen in der Au und Haidhausen bekannt.

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SZ vom 24.06.2019
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