München:Aschenputtel mal anders

Auch als Ruheständler hält der ehemalige Studiendirektor Wilfried Michl der Städtischen Fachakademie für Sozialpädagogik die Treue. Wieder hat der gelernte Opernsänger ein Musical für die Schule komponiert

Von Elena Eggert

Eigentlich ist Wilfried Michl schon seit einem Jahr in Rente und könnte gemütlich mit seiner Ehefrau Gudrun die freie Zeit genießen. Stattdessen steht er in der Aula der Städtischen Fachakademie für Sozialpädagogik in Obergiesing und gibt einem Musical-Orchester letzte Anweisungen. Bis zu seinem Rentenantritt unterrichtete er an der Schule Musikpädagogik und Rhythmik. Vor 25 Jahren inszenierte er dort zum ersten Mal ein Musical, "Prinz Pfifferling" hieß es. Seitdem führt die Schule jedes Jahr ein Singspiel auf, begleitet von einem großen Orchester, das jährlich bis zu 4000 Zuschauer in die Aula lockt. "Aschenputtel fällt aus dem Rahmen" steht in diesem Jahr auf dem Programm.

Das Musical ist also der Grund, warum Michl trotz Ruhestand nicht von der Schule loskommt. Der 66-Jährige ist gelernter Opernsänger, aber ein Musical auf die Beine zu stellen, war auch für ihn damals neu. Bis heute komponiert er die Musik selbst, die in diesem Jahr irisch und schottisch angehaucht ist. Auch Regisseur Matthias Sprengler ist seit Tag eins mit dabei. Allerdings stand er 1996 beim ersten Musical noch selbst als Darsteller auf der Bühne. Einige Jahre später schlug ihm Michl vor, es mit der Rolle des Regisseurs zu versuchen. Doch nicht nur Michl und Sprengler halten dem Projekt die Treue. Viele der Darsteller haben längst ihren Schulabschluss gemacht und kehren dennoch jedes Jahr erneut auf der Bühne zurück. Nicht zuletzt ihnen ist es zu verdanken, dass das Musical so ein Erfolg geworden ist. "Die Ehemaligen sind eine große Hilfe. Sie unterstützen die Neuen und ziehen alle mit", erklärt Wilfried Michl.

Generalprobe des Musicals: Aschenputtel fällt aus dem Rahmen. In der Aula der Sozialpädagogischen Schule: Anton-Fingerle-Bildungszentrum, Schlierseestraße 47, Giesing

Musical-verrückte Fachakademie: Unter den Darstellern, die bei der Probe zur Aschenputtel-Produktion, sind in jedem Jahr auch viele Ehemalige.

(Foto: Florian Peljak)

Eine Erzieherin, die auch nach ihrem Abschluss jedes Jahr wiederkommt, ist Burçin Köse. Für sie ist das Vorsingen immer noch das Schlimmste. Obwohl sie sich schon seit 15 Jahren am Projekt beteilige, sei die Nervosität dennoch jedes Mal enorm, erzählt sie. Etwas zu befürchten hat sie trotzdem nicht, denn jeder, der zum Casting erscheint und mitarbeiten möchte, wird auch mit einer Rolle belohnt.

So beginnt das große Projekt für die meisten direkt nach den Sommerferien mit dem Vorsingen. Im Anschluss gibt es Kurse zur Stimmbildung, Sprechtraining und ganz viel Improvisationstheater, um aus den angehenden Erzieherinnen und Erziehern Musical-Darsteller zu machen. Denn dies, sagt der Cheforganisator, sei immer die größte Herausforderung.

Alle Teilnehmer investieren viel Zeit und Ausdauer, vor allem des Teams wegen. Wer 100 Prozent geben will, steht allerdings auch vor Herausforderungen, Lehrkräfte wie Schüler. Denn während das Musical vorbereitet wird, geht der Schulbetrieb wie gewohnt weiter. Der Stresslevel ist extrem hoch, weil sich jeder selbst unter Druck setzt. "Wir sind zwar Laien, aber wir wollen trotzdem unser Bestes geben", sagt Burçin Köse. Auch Wilfried Michl weiß das und gibt zu, dass in jeder Saison die letzten der zwölf Aufführungen die besten sind, weil die Darsteller dann schon mehr Routine haben.

Generalprobe des Musicals: Aschenputtel fällt aus dem Rahmen. In der Aula der Sozialpädagogischen Schule: Anton-Fingerle-Bildungszentrum, Schlierseestraße 47, Giesing

Abermals inszeniert Michl das Musical mithilfe von Laien-Musikern und Sängern.

(Foto: Florian Peljak)

Wofür sie sich den Stress antun? Der musical-erfahrene Erzieher Martin Voit - er ist zum siebten Mal dabei - braucht bloß an die Begeisterung der Kinder zu denken, wenn er sich motivieren will: Die singen, klatschen, rufen dazwischen und wollen nach der Vorstellung sogar Autogramme haben. Aber auch die jungen Darsteller, sagt Voit, würden etwas für sich selbst mitnehmen: Sie gehen selbstbewusster aus dem Projekt heraus, lernen im Team zu arbeiten, zusammenzuhalten und sich für andere zu engagieren.

Wenn am 1. Februar die letzte der zwölf Vorstellungen vorbei ist und der Druck von allen abfällt, ist die Atempause für die Organisatoren nur kurz. Für sie geht es schon bald wieder von vorne los. Im März werden Ideen für das nächste Stück gesammelt, die Musik wird komponiert und das Drehbuch geschrieben - damit, wenn das neue Schuljahr beginnt, wieder neue Darsteller gesucht werden können. Nur ob Wilfried Michl bei der Organisation erneut in der ersten Reihe steht, ist noch nicht klar. Der 66-Jährige möchte sich jetzt langsam zurückziehen. Aber ganz kann er das Musical und vor allem die Musik noch nicht loslassen. "Jetzt habe ich ja Zeit", sagt Wilfried Michl und lacht.

Generalprobe des Musicals: Aschenputtel fällt aus dem Rahmen. In der Aula der Sozialpädagogischen Schule: Anton-Fingerle-Bildungszentrum, Schlierseestraße 47, Giesing

Er kennt jede Note von "Aschenputtel fällt aus dem Rahmen": Schließlich hat Wilfried Michl das Musical ja auch komponiert.

(Foto: Florian Peljak)

Die Premiere von "Aschenputtel fällt aus dem Rahmen" findet an diesem Dienstag, 21. Januar, 15 Uhr, in der Städtischen Fachakademie für Sozialpädagogik, Schlierseestraße 47, statt. Elf weitere Vorstellungen folgen bis zum 1. Februar zu unterschiedlichen Zeiten. Platzkarten können per E-Mail an faks-musical@gmx.de reserviert werden. Weitere Informationen und die Termine gibt es unter www.sozpaedfs.musin.de/faks/aktuelles. Eintritt frei.

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