Die aktuelle "Armutsgefährdungsschwelle" für München liegt nun bei 1540 Euro - und damit um fast 200 Euro höher als noch vor fünf Jahren. Das bedeutet: Ein-Personen-Haushalte, die weniger als 1540 Euro Netto-Einkommen im Monat zur Verfügung haben, gelten als armutsgefährdet. Diese Zahl hat das Sozialreferat der Stadt am Freitag bekannt gegeben - im Vorgriff auf den Armutsbericht 2022, der erst Ende des Jahres vorgestellt werden soll.
Zuvor lag die "Armutsgefährdungsschwelle" bei 1350 Euro, diese Zahl stammte noch aus dem 2017 vorgelegten Armutsbericht. Demnach lebten damals 269 000 Münchnerinnen und Münchner in relativer Armut. Mit der neuen Schwelle dürfte deren Anzahl nun bei etwa 300 000 liegen. Die Erhöhung des Schwellenwerts führt das Sozialreferat darauf zurück, "dass die Einkommen, auch als Folge gestiegener Lebenshaltungskosten in München, gestiegen sind".
Je nach Haushaltstyp und Anzahl sowie Alter der Kinder ergeben sich unterschiedliche Schwellenwerte: Für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen sind es nach Angaben des Sozialreferats 2310 Euro, für eine Alleinerziehende oder einen Alleinerziehenden mit einem Kind unter 14 Jahren 2000 Euro, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern über 14 Jahren 3850 Euro.
Die Armutsschwelle hat für Menschen, die von einem niedrigen Einkommen leben, aber noch keine staatlichen Leistungen wie etwa Grundsicherung oder Hartz IV beziehen, große Bedeutung. Denn sie ist Grundlage für die Gewährung einiger freiwilliger Leistungen des Sozialreferats. Wer ein Einkommen unterhalb der Schwelle hat, kann beispielsweise den München-Pass oder den vergünstigten Mittagstisch in den Alten- und Service-Zentren erhalten.
Die aktuell sehr hohe Inflation ist in der neuen Berechnung noch gar nicht enthalten
Anne Hübner, SPD/Volt-Fraktionschefin, kündigte an, ihre Fraktion wolle den Bereich der freiwilligen Leistungen, die in den Sozialbürgerhäusern angesiedelt sind, personell und konzeptionell verstärken. Auch bei den Zuschüssen aus dem mit 20 Millionen Euro ausgestatteten Heizkostenfonds, der im Herbst kommen soll, werde man sich an der neuen Armutsschwelle orientieren. Hübner denkt zudem an einen Inflationszuschlag, denn in der neuen Berechnung - diese basiert auf einer Befragung aus dem Jahr 2021 - sei die aktuell sehr hohe Inflation noch gar nicht enthalten. Nach ihren Überlegungen könnte dann beispielsweise ein Ein-Personen-Haushalt mit einem Einkommen unterhalb der Armutsschwelle einmalig pro Jahr 500 Euro Zuschuss erhalten.
Haushalte, die Hartz-IV-Leistungen oder Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehen, bekommen keinen Zuschuss, weil die Heizkosten einschließlich Nachzahlungen vom Staat als gesetzliche Leistung übernommen werden.
Weitere Verbesserungen erwartet sich Hübner von dem noch für diesen Sommer angekündigten Gesetzentwurf für das Bürgergeld, das Hartz IV ablösen soll. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat eine Neuberechnung und deutliche Anhebung der Regelsätze angekündigt. Diesen Gesetzentwurf wolle ihre Fraktion abwarten, so Hübner, bevor über die bereits 2019 beantragte Weihnachtsbeihilfe für Grundsicherungsempfänger entschieden werde. Bislang war die Einführung aus rechtlichen Gründen zurückgestellt worden.