Nachverdichtung:Die besten Lückenfüller in München

In einer immer enger werdenden Stadt ist Kreativität gefragt bei der Nachverdichtung. Das Bauministerium hat nun vorbildliche Projekte prämiert - viele davon in München. Ein Überblick.

Von Alfred Dürr

Fürstenried

Menschen statt Autos

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Garagenhöfe in einer typischen Nachkriegssiedlung in Fürstenried, auf der 104 Stellplätze untergebracht waren, verschwanden - dafür kamen zwei Neubauten mit jeweils 24 Metern Höhe und 48 Wohnungen (Breining Buchmaier Architekten, München). Die Planungen der Wohnungsgenossenschaft München West südlich der Schaffhauser Straße stießen anfangs auf heftige Proteste der Anwohner. Sie fürchteten mehr Verkehr und eine Verschattung ihrer Wohnungen durch die achtgeschossigen Punkthäuser. Aufgrund der hohen Nachfrage an familiengerechten Wohnungen innerhalb der Genossenschaft sollten anstatt der Garagenhöfe vor allem Vier- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen und Grünflächen entstehen. Gebaut wurden auch zwei doppelstöckige Tiefgaragen, die für das Projekt technisch und finanziell eine große Herausforderung gewesen seien, heißt es bei der Genossenschaft. Der Bau habe ohne wesentliche Beeinträchtigung für die Anwohner erfolgen können. Die Wohnungsgenossenschaft sieht große Vorteile durch das Neubau-Projekt. Langjährig suchenden Mietern habe man zeitgemäße, aber auch bezahlbare Wohnungen anbieten können, die weit unter dem Münchner Mietniveau lägen. Der Juryvorsitzende spricht von einer gelungenen und sinnvollen Ergänzung der Wohnanlage.

Allach

Alles außer langweilig

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Erscheinungsbild Münchens verändert sich besonders stark mit den Neubaugebieten, die auf Industriebrachen, früheren Kasernenarealen oder sonst noch vorhandenen Freiflächen entstehen. Uniforme Quartiere, immer die gleichen Kästen, belanglose Architektur - die Qualität dieser modernen Viertel steht immer wieder in der Kritik. In Allach ist mit der "neuen Gerberau" eine Anlage mit rund 150 Eigentumswohnungen auf einem ehemaligen Parkplatz der Firma MAN für 1400 Fahrzeuge entstanden (Büro Goetz Castorph, München). Die Jury sah in dem Ensemble von fünf Häusern alles andere als langweilige Einheitsarchitektur. Charakteristisch sind die bodentiefen Fenster und die allseitig umlaufenden Loggien sowie die großzügige Esplanade mit den Grün- und Freiflächen zwischen den Gebäuden. Die Bewohner profitieren zudem von einer guten Verkehrsanbindung. Ganz in der Nähe liegt die S-Bahnstation Karlsfeld und auch die Autobahnen sind schnell erreichbar. Entstanden sei ein klares Gefüge mit einem gelungen Zusammenspiel von Häusern und Freiflächen, sagt Juryvorsitzender Amandus Samsøe Sattler. Diese Komposition habe die Jury sehr angesprochen: "Es wäre nur zu begrüßen, wenn sich auch andere Neubau-Quartiere ein Beispiel daran nehmen könnten."

Maxvorstadt

Hölzerner Hof

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei diesem Projekt wurde eine bestehende Garagenanlage im rückwärtigen Bereich eines Wohnhauses an der Zieblandstraße in der Maxvorstadt durch einen dreigeschossigen Neubau ersetzt. Die Zimmer können je nach Bedarf angeordnet werden. Die Struktur des Neubaus (Heim Kuntscher Architekten, München) ermöglicht eine flexible Grundrissaufteilung, um auf zukünftige Wohn- und Arbeitskonzepte reagieren zu können. Das Rückgebäude ist zum Großteil als Massivholzbau und als Energieeffizienzhaus mit Passivhauskomponenten errichtet worden. Ein zentrales Gestaltungselement sind die Loggien in den oberen Geschossen mit ihren hölzernen Stabgeländern. Hinter den Loggien ist die Fassade großzügig verglast. Die Wohnanlage hat nicht nur bei dem aktuellen bayerischen Landeswettbewerb eine Auszeichnung bekommen, auch beim städtischen Ehrenpreis für guten Wohnungsbau 2018 hat sie eine lobende Erwähnung erhalten. Besonders hervorgehoben werden die hohe Gestaltungsqualität mit Augenmerk auf das Detail und die hochwertige Hofgestaltung. Der Juryvorsitzende beim Landeswettbewerb hebt die "sehr feine und zurückhaltende Architektur" hervor. Ein Baukörper mit eigenem Charakter, der dennoch kein Fremdkörper ist - eine gelungene Nachverdichtung.

Haidhausen

Neue Dichte

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Begriff "Nachverdichtung" war für die betroffenen Anwohner in Haidhausen ein Reizwort. Im weiträumigen Hof des Wohnquartiers zwischen der Versailler Straße und der Braystraße in unmittelbarer Nachbarschaft zur mächtigen Backsteinkirche St. Gabriel sind zwei Neubauten mit insgesamt 66 Wohnungen entstanden (Büro Palais Mai, München), die auch die Jury des Landeswettbewerbs reizten, aber im positiven Sinne. Das Projekt fügt sich mit den zwei freistehenden Bauten in die vorhandene Bausubstanz aus den Anfangsjahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts ein und verleiht dem Hof ein bemerkenswert neues Erscheinungsbild. Trotz der höheren Dichte soll nach dem Anspruch der Architekten das Besondere des Ortes erfahrbar bleiben. Die Anordnung der Baukörper soll die gewohnten Blickbeziehungen erhalten, Grünflächen sind um die zusätzlichen Bauten entstanden. Die Verkleidung der Außenwände der Neubauten stellt mit den hellen Klinkersteinen einen Bezug zur Fassade der Kirche St. Gabriel her. "Dichte" muss kein Schimpfwort sein, wenn sie so gelungen ist wie bei diesem Beispiel, sagt Amandus Samsøe Sattler. Auf relativ engem Raum wohnen und trotzdem keine Lebensqualität einbüßen, das geht. Begehrte Stadtviertel wie Schwabing, Neuhausen oder die Maxvorstadt geben davon Zeugnis.

Berg am Laim

375 Euro pro Apartment

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(Foto: Roland Weegen)

Für die Entwicklung des Quartiers rund um den Piusplatz in Berg am Laim ist der markante Komplex (03 Architekten, München) an der Ecke Innsbrucker Ring und Grafinger Straße der letzte Baustein. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag wollte frischen Wind in das Gebiet bringen - mit sanierten Häuserzeilen, schöneren Außenanlagen, Nachverdichtung im Innern des Quartiers mit drei modernen Passiv-Häusern sowie mit einer "Schallschutzbebauung" am Mittleren Ring. Seit April 2019 sind die 91 Apartments für Auszubildende und 27 weitere bezahlbare Wohnungen bezogen. Zu dem Komplex gehören eine Kindertagesstätte, Geschäfte und eine Tiefgarage. Das sechsgeschossige Bauwerk mit einem achtgeschossigen Hochpunkt entstand auf einem vorher spärlich bebauten und baumbestandenen Grundstück. Geplant war attraktives Wohnen an einer durch den Verkehr belasteten Stelle. Die Azubis zahlen zwischen 290 und 375 Euro im Monat für das Apartment. So können junge Menschen mit wenig Geld auf dem hart umkämpften Münchner Wohnungsmarkt eine Bleibe finden. Dazu passt auch noch eine gelungene Architektur, wie der Juryvorsitzende lobt. Der Baukörper setze mit seiner lebhaft und elegant wirkenden Fassade einen bemerkenswerten städtebaulichen Akzent an der Kreuzung.

Sendling

Sendlinger Siedlung

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag konnte mit einem weiteren Projekt im Wettbewerb punkten: mit ihrer Siedlung im Umfeld der Passauerstraße in Sendling. Die umfassende Modernisierung dieses Quartiers mit den Häusern aus den Dreißiger- und Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts mit den rund 430 Wohnungen (Maier Neuberger Architekten, München) ist seit einigen Jahren abgeschlossen. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie man ein in die Jahre gekommenes Quartier durch Modernisierungen, Aufstockungen und durch Neubau vor allem auch für Familien mit Kindern ansprechend gestalten kann. Für die oft älteren Bewohner sollte sich die Wohn- und Lebensqualität in der Siedlung verbessern. Das Sendlinger Projekt war eines von zehn Modellvorhaben des Freistaats Bayern, die beispielhaft zeigen sollten, wie man innerstädtische Quartiere für Menschen aller Altersstufen gestalten kann, ohne gleich alles plattzumachen. Der Architekturentwurf überzeugte damals wie heute. Städtebauliche Ergänzungen und neue Architektur fügen sich selbstbewusst und gut in die Siedlung und ihre Umgebung ein. Alteingesessene und zugezogene Mieter profitieren von der Aufwertung, ohne dass die Preise ins Astronomische steigen. "Rundum gelungen", sagt der Juryvorsitzende.

Schwabing

Reparatur im Stadtbild

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Neubau des Studierendenwohnheims Internationales Haus (Geier Maass Architekten, Berlin) an der Agnes- und Adelheidstraße in der Nähe des Josephsplatzes in Schwabing ist ein Beispiel für gelungene Stadtreparatur, sagt Architekt Amandus Samsøe Sattler. Vorher stand hier ein eher unscheinbares flaches Nebengebäude. Das Haus bietet als Ort des Zusammenlebens von Studierenden unterschiedlicher Herkunft vielfältige räumliche Angebote. Es gibt Gemeinschaftseinrichtungen und Wohnbereiche in Einzelapartments, aber auch Platz für Wohngemeinschaften. In der Anlage befinden sich nicht nur diese Wohnungen, sondern auch Schulungsräume für Deutschkurse. Vom Foyer öffnet sich der Blick in den begrünten Innenhof. In den Obergeschossen bieten zum Innenhof ausgerichtete möblierte Laubengänge Aufenthaltsqualität und Kommunikationsmöglichkeiten, heißt es im Konzept der Berliner Architekten. Das äußere Erscheinungsbild des Neubaus wird durch großzügige Fenster geprägt, die den Wohnräumen zu Licht und Offenheit verhelfen. Die Gliederung der Fassade und die unterschiedlichen Materialien, so der Anspruch der Architekten, betonen die besondere Eigenständigkeit des Gebäudes, das sich aber dennoch harmonisch in die Umgebung der Schwabinger Wohnbebauung einfügt.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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