Süddeutsche Zeitung

Familien:Eine Playdate-App aus München

Eltern verabreden sich und ihre Kinder mit anderen Familien. Eine Münchner Unternehmerin hat dafür eine eigene Anwendung entwickelt. Die Funktionsweise erinnert an Social-Dating-Apps wie Tinder.

Von Paulina Schmidt

Etwas außer Atem eilt Melanie Epp in ihr Büro. Sie kommt gerade von einem Termin an der Schule ihres Sohnes. Auf dem Weg zur Kaffeemaschine begutachtet sie ihren neuen Schreibtisch, der im Eingangsbereich abgeladen wurde. Kurz überlegt sie, wie sie den durch den schmalen Aufgang in ihr Arbeitszimmer tragen kann. Dann läuft sie weiter, stellt ihre Tasche auf einem Barhocker ab und macht sich einen Kaffee: "Das muss jetzt sein."

Epp ist 44 Jahre alt und hat drei Kinder. "Schon bei meinem ersten Kind habe ich gemerkt, dass man effektiver wird und lernt zu priorisieren", sagt sie. Im November 2017 entwickelte Epp gemeinsam mit einem Team die Idee zur App Barrio, über die sich Eltern mit anderen Familien mit Kindern zu gemeinsamen Aktivitäten verabreden können. Eigentlich überlegte Epp damals, wie sie ihr Kindermode-Label Nyani, das es seit 2015 gibt, vermarkten könnte. "Ich dachte, wir schreiben auf keinen Fall noch einen Newsletter, das braucht die Welt nicht. Wir müssen etwas finden, was Eltern wirklich hilft", erinnert sich Epp. Dann fiel ihr ein, was vielen fehlt - der Kontakt zu anderen Eltern mit ähnlichen Interessen. "Wenn die Kinder da sind, passt der alte Freundeskreis oft nicht mehr. Man hat aber keine Zeit, jemanden kennenzulernen", sagt sie. Ganz neu war die Idee nicht. In England gibt es die App Mush schon länger.

Über Barrio können Nutzer gemeinsame Aktivitäten planen. Die App hilft herauszufinden, welche Eltern zueinander passen. Es sei also eine Social-Dating-App um Gleichgesinnte zusammenzubringen, so Epp. Die Zielgruppe sind Eltern mit Kindern bis zum Grundschulalter. "Etliche Mütter beginnen dann auch schon mit einem Profil während der Schwangerschaft und geben ihren Entbindungstermin an", sagt Epp. Neben dem Eltern-Finder beinhaltet die App auch ein Magazin und eine Übersicht über anstehende Veranstaltungen, wie beispielsweise Erste-Hilfe-Kurse am Kind.

Um die App nutzen zu können, muss man sich zuerst ein Profil anlegen. Hier gibt man seinen Namen, das eigene Alter, das Alter der Kinder und den Wohnort an. Und besondere Erziehungskonzepte oder Ernährungsweisen. Flohmarkt oder Shoppen? Plastik oder Holz? Diese Fragen, die zu Beginn beantwortet werden müssen, sollen den Einstieg in Gespräche mit anderen Nutzern erleichtern.

"Ich weiß noch, wie wir am Launch Tag im April 2018 hier im Büro saßen", erinnert sich Epp. "Nach einer Stunde hat eine Stefanie aus der Nähe von Hannover das erste Playdate eingestellt." Inzwischen nutzen rund 40 000 Menschen die App, 90 Prozent davon sind Frauen. Täglich werden in ganz Deutschland rund 100 Playdates ausgemacht. Genutzt wird das Angebot ausschließlich in städtischen Gebieten. Epp vermutet, dass das an den familiären Strukturen in ländlichen Gegenden liegt, da sei man weniger auf eine App angewiesen.

Neu registrierte Nutzer schaut Epp mit ihrem Team durch. Gefälschte Profile gebe es kaum. Nur einmal stießen sie auf das Profil eines jungen Mannes, auf dessen Foto ein Waschbrettbauch zu sehen war. Er suchte nach Playdates, vorzugsweise mit Zwillingen. Epp löschte das Profil. Barrio ist kostenlos und Epp möchte, dass das so bleibt. Das Unternehmen ist privat finanziert, aktuell sind sie auf der Suche nach Investoren. Für die Zukunft wünscht sich Epp vor allem mehr Nutzer. Ihr Traum sei es, dass Eltern, wenn sie im Urlaub sind, über die App schauen, mit wem sie sich treffen können.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2019
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