Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Ungestüm trifft Leidenschaft

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Das weltberühmte Apollon Musagète Quartett hat sich für einen Abend im Hubertussaal Schubert und Dvořàk ausgesucht. Das kommt seinem Temperament entgegen.

Von Klaus P. Richter, München

Leicht vergisst man bei Schubert, dem Liedgenie, wie wichtig ihm die Kammermusik war. Schon in den häuslichen Quartettabenden spielte er die Bratsche, und mit 16 Jahren hatte er bereits an die zehn Streichquartette komponiert. Aus diesem Ambiente führte das Apollon Musagète Quartett in einer feinen Kammermusikreihe im Hubertusaal des Nymphenburger Schlosses zwei bezeichnende Werke vor. Ein ungestümes Oszillogramm der Umbrüche zwischen Piano-Poetik und eruptiven Forte-Hitzewallungen beherrscht den unvollendeten Quartettsatz c-Moll (D 703): Vorahnung der dramatischen Dialektik seiner späten Sinfonik. Das gab dem polnischen Ensemble, einst Sieger im ARD-Wettbewerb von 2008, inzwischen weltberühmt, Gelegenheit, seine leidenschaftliche Artikulationskunst pointiert auszuspielen.

Aber schon im Es-Dur Quartett des 16-jährigen Schubert (D 87) konnte es im tiefsinnigen Adagio auch die melosseelige Seite Schuberts mit glutvoller Noblesse präsentieren. Das schien aber nur wie eine Vorbereitung für den späten Dvořàk. In seinem vorletzten Streichquartett G-Dur op. 106, nach seiner endgültigen Rückkehr aus der "Neuen Welt" komponiert, waren die Musiker erst richtig in ihrem Element. Dort tauchten sie nach dem signalhaften Hauptthema und der h-Moll-Schwermut des zweiten in die rhapsodische Fülle des Werks ein. Weil aber seine musikantischen Qualitäten mit viel motivischer Arbeit und variativem Aufwand gestaltet werden, ist es ein Glanzstück von Dvořàks Œuvre.

Wieder hatten es dem Ensemble vor allem die prickelnden Staccati und Sforzandi angetan, die Ausbrüche tänzerischer Leidenschaft und die raschen Wechsel zwischen Dur und Moll, mit denen Dvořàk die Themen immer neu beleuchtet. Diese temperamentvolle Expressivität fand dann nach den hymnischen Tiefen des Adagios im Finalsatz schließlich an dessen orgiastischem "con fuoco"-Schluss den Höhepunkt des Abends.

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