Anschlag von 1970 mit sieben TotenRechtsextremist soll Attentat auf jüdisches Altenheim in München begangen haben

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Bei dem Brandanschlag in der Reichenbachstraße starben sieben Menschen.
Bei dem Brandanschlag in der Reichenbachstraße starben sieben Menschen. (Foto: Branddirektion)

Die Ermittlungen richten sich offenbar gegen einen inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens. Bei dem Anschlag kamen sieben Menschen ums Leben.

55 Jahre nach dem tödlichen, bislang ungeklärten Brandanschlag auf das Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde in München verfolgen Ermittler eine neue Spur. Nach Informationen des Spiegels führt sie zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens. Der Mann, der in den 1970er-Jahren mehrmals durch Straftaten aufgefallen war, soll offensiv antisemitische und rechtsextreme Ansichten vertreten haben.

Inwieweit der Verdächtige auch mit der organisierten Neonazi-Szene in Kontakt stand, sei ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen, heißt es. Ausgelöst wurden diese durch einen Hinweis an den Antisemitismusbeauftragten der bayerischen Justiz bei der Generalstaatsanwaltschaft München, Andreas Franck. Demnach machte der Kriminelle zu Lebzeiten selbst Angaben zu dem Anschlag.

Ob er tatsächlich der Brandstifter war, müssen nun die Ermittler klären – ebenso wie die Frage, ob es noch lebende Mittäter oder Zeugen gibt. Die Münchner Generalstaatsanwaltschaft hat mittlerweile ein neues Verfahren wegen siebenfachen Mordes eingeleitet. Zu Details will sich die Behörde seither aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern, auch nicht zur Person des Verdächtigen oder zu dessen Tatmotiven.

Bei dem Anschlag auf das Gemeindezentrum an der Reichenbachstraße waren am 13. Februar 1970 sieben Jüdinnen und Juden getötet worden, die im dort untergebrachten Seniorenwohnheim lebten. Sechs von ihnen starben in den Flammen, ein siebter beim Sprung aus dem vierten Stock.

Bereits 2013 waren neue Hinweise auf angebliche Täter aufgetaucht. Die Ermittlungen wurden von der Bundesanwaltschaft wiederaufgenommen und mit Blick auf links- wie auch auf rechtsextremistische Kreise geführt, 2017 jedoch ergebnislos eingestellt. 2020 gab es in München zum 50. Jahrestag des Anschlags eine Gedenkfeier. In der ehemaligen Synagoge an der Reichenbachstraße, die heuer nach ihrer Wiederinstandsetzung neu eröffnet werden soll, soll künftig ein Mahnmal an die Geschehnisse erinnern.

Der Anschlag auf das jüdische Altenheim in München ist bis heute nicht aufgeklärt. Auch deshalb spielte er lange keine Rolle in der Münchner Erinnerungskultur. Sollte es sich bewahrheiten, dass der Täter aus einer rechtsextremen Gesinnung heraus mordete, würde sich eine Münchner Schreckensbilanz bis ins Jahr 1970 zurück verlängern.

In keiner anderen deutschen Stadt sind in der Geschichte der Bundesrepublik so viele Menschen von rechten Gewalttätern ermordet worden wie in München: 31 Tote wären es mit dem Anschlag in der Reichenbachstraße. Neonazis und Rassisten mordeten auch auf dem Oktoberfest (1980), in einer Diskothek in der Schillerstraße (1984), während der NSU-Terrorserie (2001 und 2005) und am Olympia-Einkaufszentrum (2016).

Im Jahr 2003 planten Münchner Neonazis einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung des neuen jüdischen Gemeindezentrums, der von den Ermittlern rechtzeitig vereitelt werden konnte. Und auch die palästinensischen Terroristen, die 1972 in München und Fürstenfeldbruck elf israelische Olympia-Teilnehmer und einen deutschen Polizisten ermordeten, hatten bei der Vorbereitung des Anschlags Hilfe von deutschen Rechtsextremisten bekommen.

Nach dem Anschlag auf das jüdische Altenheim hatte sich 1970 der Verdacht zunächst gegen palästinensische Gruppen oder Neonazis gerichtet. Später gerieten zunehmend Linksextremisten als mögliche Attentäter in den Fokus. Spätere Ermittlungen wurden dadurch erschwert, dass Beweismittel nicht mehr auffindbar waren.

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SZ PlusVon Justin Patchett

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