Mit einer Schweigeminute haben die Mitglieder des Stadtrats in der ersten Vollversammlung nach dem Anschlag auf eine Verdi-Demonstration am 13. Februar der beiden Todesopfer gedacht. Dazu drückten sie den Angehörigen, den 60 Verletzten und allen Betroffenen ihr tiefes Mitgefühl aus. Die Stadt werde allen helfen so gut es geht, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Auf der politischen Ebene wurde damit unmittelbar begonnen: Der Stadtrat richtete einen Hilfsfonds für alle Betroffenen ein und wird diesen mit 500 000 Euro ausstatten.
Zusätzlich stellt die Stadt ein Spendenkonto bereit, um den Münchnerinnen und Münchnern, aber auch allen Bürgern von außerhalb die Gelegenheit zu geben, die Betroffenen zu unterstützen. Das soll möglichst unkompliziert und ohne viel Bürokratie geschehen, weshalb der Stadtrat seine übliche Geschäftsordnung temporär außer Kraft setzte.
Spenden von mehr als 10 000 Euro kann die Stadt nun ohne Gremienbefassung annehmen, auch für Auszahlungen in dieser Höhe bedarf es keiner gesonderten Genehmigung wie sonst üblich. Die Verantwortung für das Spendenkonto (IBAN DE86 7015 0000 0000 2030 00, Verwendungszweck „Hilfe Anschlagopfer“) wird beim Sozialreferat liegen.
Sollten die 500 000 Euro nicht ausreichen, kann der Hilfsfonds per Stadtratsbeschluss aufgestockt werden. Den vielen Betroffenen der Stadtverwaltung sichert die Politik zu, großzügig bei Arbeitszeitregelungen oder eventuell nötigen Befreiungen vorzugehen. Das beschlossene Hilfspaket geht auf einen Antrag zurück, den alle Fraktionen des Stadtrats gemeinsam gestellt haben.
Im Anschluss an die Schweigeminute sprach als einziger Stadtrat Stefan Jagel (Linke), der die Familie der Opfer auf deren Bitte hin in dieser Extremsituation unterstützt hatte. Er traf sie erstmals zwei Tage nach dem Anschlag, bei dem ein 24 Jahre alter Mann aus Afghanistan die 37 Jahre alte Amel und ihre zwei Jahre alte Tochter Hafsa so schwer verletzt hatte, dass sie nicht überlebten. Es ging darum, mit der Todesnachricht eine Botschaft zu senden: Der Tod der beiden solle nicht dazu genutzt werden, „um Hass zu schüren“. Er sollte nicht politisch instrumentalisiert werden.
Der Familie war zudem enorm wichtig, anonym bleiben zu können. „Dass uns dies gemeinsam gelungen ist, war das Ergebnis vieler Menschen und eines großartigen Teams außerhalb politischer Uneinigkeiten“, sagte Jagel. Er bedankte sich bei der großen Gruppe aus der Stadt, die schnell und unkompliziert Hilfe geleistet habe, ohne dass sich irgendwer in den Vordergrund gedrängt hätte. Er selbst wollte seine Rolle eigentlich auch nicht publik machen, doch wurde sie ohne sein Zutun bereits öffentlich.
Deshalb sprach Jagel nun im Stadtrat, dafür hatte er sich auch mit der Familie der beiden Verstorbenen vorher abgestimmt. In deren Namen überbrachte er Worte des Dankes an die Helfer der Stadt, ganz besonders aber auch an Reiter. Der Oberbürgermeister habe die „politische Größe“ gezeigt, sich selbst zurückzunehmen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sagte Jagel. „Was brauchen die Menschen, die unmittelbar betroffen sind? Was sind ihre Wünsche?“
Einen hat die Familie noch formuliert, gerichtet an die Stadt. Zum Gedenken an Amel und Hafsa solle die Stadt eine Bank aufstellen, die zum Erinnern und Verweilen einlädt. Vielleicht mit einer kleinen Veranstaltung, an der jede und jeder teilnehmen könne, der das wünsche. Der lange anhaltende Applaus im Stadtrat nach der Rede drückte nicht nur Einverständnis dafür aus, sondern Dank an einen Kollegen, der unprätentiös und engagiert Menschen in Not unterstützt.