Süddeutsche Zeitung

München:Anna Hanusch will nicht mehr Baureferentin werden

Die Grünen-Politikerin zieht Konsequenzen aus der Forderung der Regierung von Oberbayern nach einer Ausschreibung des Postens. Auch die Stelle des IT-Referenten wird frei: Thomas Bönig zieht es nach Stuttgart.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Anna Hanusch, zieht ihre Bewerbung für das Amt der Baureferentin zurück. Das teilte sie am Freitagnachmittag mit. "Mit großem Bedauern erkläre ich meinen Verzicht auf die weitere Teilnahme am Verfahren zur Besetzung dieses Amtes", hieß es in einer schriftlichen Mitteilung. Die für die Vollversammlung am kommenden Mittwoch geplante Wahl war zuvor geplatzt, weil die Regierung von Oberbayern als zuständige Aufsichtsbehörde eine Ausschreibung für den städtischen Spitzenposten fordert.

Eine solche hatte es nicht gegeben, die Grünen hatten Hanusch als einzige Kandidatin nominiert. Dieses Recht haben sie sich im Koalitionsvertrag zusichern lassen, die Wahl galt mit den Stimmen der SPD als sicher. Die CSU hatte jedoch massive Zweifel an der formalen Qualifikation von Hanusch angemeldet und die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde eingeschaltet.

Die Koalition muss nun hinnehmen, dass eines ihrer prominentesten Gesichter nicht auf die Referentenbank wechseln kann. Doch einen Präzedenzfall wollen Grüne und Sozialdemokraten darin nicht sehen. Nach der Sitzung des Ältestenrats, wo grundsätzliche Abläufe unter den Fraktionen besprochen werden, bleibt die Wahl zweier weiterer Kandidaten auf der Tagesordnung, die ebenfalls ohne Ausschreibung ins Amt gehoben werden sollen. Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) soll zur neuen Kreisverwaltungsreferentin, Andreas Mickisch (SPD) zum Personalreferenten gekürt werden. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sieht nach dem Votum der Regierung von Oberbayern in der Causa Hanusch keinen Anlass, diese Wahlen ebenfalls abzusetzen, wie er am Freitag mitteilte. Sie seien "rechtskonform".

Die CSU will die anderen Referentenwahlen auch prüfen

Die CSU hat jedoch auch an dieser Haltung Zweifel. "Wir werden das juristisch prüfen", kündigte Fraktionschef Manuel Pretzl an. Die ÖDP will am kommenden Mittwoch mit einem Dringlichkeitsantrag die Wahl der beiden Referenten ohne Ausschreibung verhindern. OB Reiter müsse zudem von der Regierung von Oberbayern ein verbindliches Prozedere für künftige Besetzungen der Referatsspitzen einfordern, erklärte Fraktionschef Tobias Ruff. Zudem will die ÖDP prüfen lassen, ob die Verträge von bereits gewählten Referenten rechtskräftig seien, wenn diese ohne Ausschreibung ins Amt gekommen seien.

Die Regierung von Oberbayern hatte im Fall der Kandidatin Hanusch erklärt, von einer Ausschreibung eines Referentenpostens könne die Stadt nur in Ausnahmefällen absehen, zum Beispiel wenn eine Referentin wiedergewählt werde oder ein Stellvertreter das Amt eines ausscheidenden Chefs übernehme. Es gelte das Prinzip der Bestenauslese. Sollte die Regierung von Oberbayern diese Rechtsauffassung nun konsequent einfordern und durchsetzen, müsste sich die jeweilige Rathaus-Regierung bei der Referentenwahl darauf einstellen. CSU-Fraktionschef Pretzl sieht "einen Paradigmenwechsel", der die Stadtpolitik noch längere Zeit beschäftigen werde.

Grünen-Co-Fraktionschef Roth sagte, die bisherige Praxis sei politisch durchaus sinnvoll gewesen. "Aber wenn wir gezwungen werden, machen wir halt Pseudo-Ausschreibungen." Eine politische Intrige warf der Stadtvorsitzende der Grünen, Joel Keilhauer, der CSU vor. "Es wirkt, als versuche die CSU hier mit Schützenhilfe einer Behörde, die Teil eines CSU-geführten Ministeriums ist, Mehrheitsentscheidungen im Münchner Rathaus zu boykottieren." Die SPD wollte sich am Freitag dazu nicht äußern.

Die kleinen Fraktionen sehen sich in ihrer Kritik am Modus bestätigt

Die kleinen Fraktionen im Rathaus, die Referentenwahlen ohne Ausschreibung stets vehement, aber ohne Wirkung verurteilten, sehen sich bestätigt. Das Parteibuch sei fast immer wichtiger gewesen als das Gesetzbuch und die Qualität der Bewerber, sagte ÖDP-Stadtrat Ruff. Dass allerdings die CSU ihre Oppositionsseele just in dem Moment entdeckt habe, da sie "selbst ihre Amigos nicht mehr unterbringen kann, ist lachhaft und grotesk". Auch Stefan Jagel, Vorsitzender der Linken/Die Partei, verwies darauf, dass seine Fraktion immer schon Ausschreibungen gefordert habe. Die Fraktion FDP/Bayernpartei hat jedoch wenig Hoffnung, dass eine Ausschreibung viel ändern würde. Dort würde sich ohnehin immer der Kandidat durchsetzen, den die Koalition auch ohne dieses Verfahren gewollt hätte. Gute externe Kandidaten würden sich deshalb in solch einer "Farce" nicht bewerben, sagte Stadtrat Richard Progl (Bayernpartei).

Grünen-Fraktionschefin Hanusch hat für sich die Konsequenz gezogen, den Weg über eine Ausschreibung nicht zu gehen. Die Regierung von Oberbayern habe ihr die Wählbarkeit zwar nicht abgesprochen, aber auch nicht mit der nötigen Sicherheit bestätigt, sagte Hanusch. "Diese Rechtsauffassung schafft eine Situation, in der meine Teilnahme an einer Ausschreibung weitere Verzögerungen bei der Besetzung der Leitung des Baureferats nach sich ziehen könnte." Ein sich in die Länge ziehendes Verfahren wolle sie aber vermeiden, "da sich dies nachteilig auf das Erreichen der ambitionierten Ziele unserer grün-roten Rathauskoalition auswirken kann". Ob sie ihren bereits angekündigten Rückzug von der Fraktionsspitze nun aufrecht erhält, blieb am Freitag noch ungeklärt.

Die Grünen müssen sich indes nun Gedanken über gleich zwei Referentenposten machen, für die sie ein Vorschlagsrecht haben. Denn für die Öffentlichkeit völlig überraschend wechselt mitten in der angestrebten Digitalisierungsoffensive der städtische IT-Chef Thomas Bönig kurzfristig im Sommer nach Stuttgart. Dort übernimmt er eine ähnliche Aufgabe. Wie im Rathaus zu hören ist, sollen die Grünen dem IT-Referenten bereits signalisiert haben, dass sein 2024 auslaufender Vertrag nicht mehr verlängert werden könnte.

Vom Zeitpunkt des Abschieds scheint die Koalition aber überrascht worden zu sein. Die Formalitäten gelte es nun erst zu klären, sagte Bönig. Mit den Stuttgarter Verantwortlichen habe er sich schon länger im Austausch befunden, diese hätten ihm in seiner Heimatstadt einen "hochinteressanten" Job angeboten, sagt Bönig. Dass ihm in München die Wertschätzung für seine Arbeit gefehlt habe, mag er aber auch nicht dementieren.

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