Schauspieler Andreas Bittl:Der Strizzi aus der Au

Schauspieler Andreas Bittl: Andreas Bittl ist Schauspieler und Musikkabarettist. Beim neuen Polizeiruf spielt er einen "Schwerenöter", wie es der BR nennt.

Andreas Bittl ist Schauspieler und Musikkabarettist. Beim neuen Polizeiruf spielt er einen "Schwerenöter", wie es der BR nennt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Andreas Bittl war im Fernsehen bisher ein kaum bekanntes Gesicht. Nun aber spielt er einen Ermittler im neuen Münchner "Polizeiruf".

Von Gerhard Fischer

Im Saal des Wirtshauses Ayinger in der Au sieht es aus wie in einem Kaffeehaus; das ist extra so arrangiert. Die Leute sitzen um Tische herum, trinken Kaffee, Wein oder Bier und essen Würstchen. Auf einem Flyer, der verteilt wurde, steht ein Spruch des Komponisten Gustav Mahler: "Wenn die Welt einmal untergehen sollte, zieh' ich nach Wien, denn dort passiert alles 50 Jahre später."

Wien ist langsam und gemütlich, die Stadt ist historisch aufgeladen und die Menschen lieben den Schmäh. Das transportiert auch dieser Wiener Liederabend, der "A Little Bittl of Donau in der Au" heißt. Im Mittelpunkt steht Andreas Bittl als Anderl. Dieser Anderl denkt, er sei Oberkellner in einem Wiener Kaffeehaus. Er redet schnell, was nicht zur Wiener Langsamkeit passt, dem Abend aber Tempo gibt, er singt Couplets und spielt Akkordeon. Und Anderl macht Witze: "Ich mag die Mali", sagt er, "die besorgt das Zyankali." Es geht um das Töten von Tauben.

Wer ist noch dabei? Unter anderem Liesl Weapon als Kellnerin, Luise Kinseher, die bei ihrem Gastauftritt lallt, dass sie Wien und Wein liebt, und deren Dackel versehentlich die Bühnentreppe herunterfällt (es passiert ihm nichts); die großartige Sängerin Thea Schütte, die, so Anderl, "die Bedienung mit dem schönsten hohen C" sei. Und der Stehgeiger Blerim Hoxha, den Anderl einmal "beim Sitzen erwischt". Am Ende singt der Chor der Münchner Tafel mit dem Publikum, das Wunderkerzen abbrennt, "Weus'd a Herz host wie ab Bergwerk" von Rainhard Fendrich. An manchen Abenden hätte das kitschig gewirkt; an diesem ist es schön.

Drei Tage später sitzt Andreas Bittl, 46, im Café Mozart am Sendlinger Tor und antwortet auf die eher rhetorische Frage, ob er eine Wien-Affinität habe, mit einem lauten "Ja!". Er habe sein erstes Engagement am Burgtheater gehabt, bei Claus Peymann. Er habe ein Jahr in Wien gelebt und, ja, er liebe die Heurigen-Atmosphäre.

Bittl soll eigentlich über seine Rolle als Ermittler beim neuen Münchner "Polizeiruf" sprechen. Aber er macht oft solche Liederabende wie im Ayinger, und er war lange am Theater, und daher sagt er erst mal, dass "ein nicht geringer Teil meines Künstlerdaseins der Musik gewidmet ist"; und er redet ausführlich darüber, wie er das Theaterspielen sieht, nämlich eher als Handwerk. "Jutta Hoffmann, die aus dem Osten kommt, hat mir schon in der Ausbildung das Praktische eingeimpft", sagt Bittl. Schauspieler im Osten seien so ausgebildet worden, dass man "von außen nach innen" gehe, über die Beobachtung - eine, so Bittl, "Brecht'sche Herangehensweise". Er finde das gut. "In den USA wird ja eher das Method Acting gelehrt, da heißt es, man müsse sich in die Figur einfühlen - aber wenn du dich jeden Abend in einen Mörder einfühlen musst, landest du in der Klapse."

Bittl redet im Café ein bisschen langsamer als drei Tage zuvor auf der Bühne. Aber er spricht schon schnell, ein bisschen abgehakt und nuschelig, obwohl er nicht nuschelt. Er redet ein bisschen aus dem Unterkiefer heraus. Ältere mögen sich an Willy Millowitsch erinnern, den weltbesten Aus-dem-Unterkiefer-heraus-Redner. Allerdings redet Bittl sanfter. Und leiser.

"Ein nicht geringer Teil meines Künstlerdaseins ist der Musik gewidmet"

Andreas Bittl ist in München geboren. Die Oma schenkte ihm ein Akkordeon, er lernte Klavier und wurde Gitarrist in einer Rock-'n'-Roll-Band. In der zehnten Klasse spielte er dann Schultheater. "Ich habe sofort Blut geleckt", sagt er. Bittl beschloss, eines von seinen beiden Hobbys zum Beruf zu machen. "Damit ich nicht versauere." Musik? "Dafür war ich an den Instrumenten zu schlecht, weil ich als Teenie zu faul zum Üben war", sagt er. "Also wollte ich es als Schauspieler versuchen - da darf man noch ein ungeschliffener Diamant sein."

In jugendlicher Selbstüberschätzung - er nennt es "kleinen Größenwahn" - dachte Bittl, er werde an der Otto-Falckenberg-Schule in München "eh genommen". Er sei dann "schön auf die Schnauze gefallen". Bittl sprach nämlich einen Monolog des Dieners Lucky aus "Warten auf Godot" vor. Er muss über sich lachen, dass er diesen "unsinnigen Textsermon" vorgetragen hat. "Warten auf Godot" beim Vorsprechen - das ist, als bewerbe man sich mit den Plänen für einen Großflughafen für eine Schreinerlehre.

Bittl lacht nicht laut. Nicht ausgelassen. Er schiebt das Lachen kurz zwischen seine Erzählungen, und er lächelt oft. Er hat ja etwas Strizzihaftes, rein äußerlich. Beim Liederabend im Ayinger hatte er auch noch das Haar mit Pomade nach hinten geschmiert und einen Schnauzbart getragen. Und beim neuen "Polizeiruf" spielt er einen "Schwerenöter", wie es beim Bayerischen Rundfunk heißt, der den "Polizeiruf" produziert. (Schwerenöter ist herrlich altbacken, wie Schelm oder Griesgram.)

Bittl bewarb sich nach der Absage an der Falckenberschule in ganz Deutschland, er jobbte, um die Zugtickets zu bezahlen, und er bekam die Zusage von der Schauspielschule in Hamburg. Danach war er an Theatern in Wien, Schwerin, München, Bochum oder Düsseldorf. Er sei immer gut beschäftigt gewesen, sagt er. Und zwei Dinge hätten Existenzängsten vorgebeugt: dass er die Musik als zweites Standbein hatte (manchmal war er auch musikalischer Leiter an Theatern) und dass er in der Theaterszene gut vernetzt sei.

Bittl holt einen Flyer aus der Tasche. "Wir spielen im vierten Jahr die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens auf Bairisch", sagt er. Auf dem Flyer steht er mit Hosenträgern neben einer blonden Frau, die schon im Wirtshaus Ayinger an seiner Seite war: Liesl Weapon, die eigentlich Amelie Diana Magdeburg heißt, Kabarettistin ist und vor allem Bittls Lebensgefährtin. Es sei eine "szenische Lesung mit viel Musik", sagt er. Der Geizkragen Ebenezer Scrooge heißt bei ihnen Eberhard Gschaftl.

Bittl spielt auch beim Brandner Kaspar mit, und im Komödienstadel. "Als ich bei den Luisenburg Festspielen spielte, hat der damalige Intendant Michael Lerchenberg gesagt: Du bist ja einer, der auf der Bühne bairisch sprechen kann - wir hatten dich bisher nicht auf dem Schirm." So sei er in den Kreis der bairisch sprechenden Theaterschauspieler aufgenommen wurden.

Bittl liebt das Theater, egal ob bairisch oder hochdeutsch. "Da ist man künstlerisch mehr gefordert. Und das ist viel direkter, man hat sofort eine Publikumsreaktion", meint er. Das sagen viele Schauspieler. Außerdem sei 80 Prozent der Fernsehunterhaltung "nicht interessant". Auch das sagen viele Schauspieler.

Den Münchner "Polizeiruf" zählt er, natürlich, zu den 20 Prozent, die interessant sind. "Da mitzumachen, ist schon toll", sagt er. Der "Polizeiruf", den früher die kantigen Charismatiker Edgar Selge und Matthias Brandt veredelt haben, sei mutig und experimentell. Beim neuen "Polizeiruf", der im September erstmals ausgestrahlt wurde, ermittelten drei Streifenpolizisten, die der Personalmangel im Revier in die erste Reihe gespült hatte: Hauptdarstellerin Verena Altenberger (als Elisabeth Eyckhoff, genannt Bessie), die den mutigen Satz sagen darf: "Als Kind hab' ich mal gesehen, wie ein Polizist in seine Mütze onaniert hat - da habe ich gedacht, dass alle Polizisten das machen, damit die Mütze besser am Kopf haftet." Neben Altenberger spielen der dickliche Cem Lukas Yeginer als Cem (im Netz wurde sogleich geschimpft, dass man mit so einem Übergewicht niemals Polizist sein dürfe - als ob das in der Fiktion wichtig wäre), und eben er, Andreas Bittl, als Wolfie Maurer.

Bittl war im Fernsehen bisher kein bekanntes Gesicht. "Ich hatte vor allem Episodenrollen", sagt er. Mal bei den "Rosenheim-Cops", mal bei "Hubert und Staller", mal bei "München 7". "Ich war bisher nicht wahrgenommen worden, dass ich so eine Rolle wie im ,Polizeiruf' machen könnte", sagt er. Und ein Klinkenputzer, der sich selbst ins Spiel bringe, sei er nicht. Zum "Polizeiruf" kam er über einen ungewöhnlichen Weg, der aber zu ihm passt, weil es um Musik ging.

Bittl hatte in Georg Ringsgwandls Stück "Da varreckte Hof" im Lustspielhaus mitgespielt. "Ich habe da auch musiziert, das taugte ihm wohl", sagt Bittl über Ringsgwandl, der selbst Musiker ist. Jedenfalls war Ringsgwandl als Pathologe für den "Polizeiruf" München vorgesehen, und es sollte eine Polizeiband geben. Ringsgwandl schlug Bittl als Ermittler vor, und als Bandmitglied. Ringsgwandl sprang vor den Dreharbeiten ab. Bittl blieb dabei. In der ersten Folge gab es noch keine Polizeiband, in der zweiten, die an diesem Sonntag, 8. Dezember, um 20.15 Uhr in der ARD laufen wird, gibt es sie. Andreas Bittl spielt Gitarre.

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