Süddeutsche Zeitung

Sozialpolitik:Die neue Stimme des sozialen München

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Von Thomas Anlauf

Andrea Betz von der Inneren Mission wird nach Informationen der Süddeutschen Zeitung überraschend die Sprecherin der sechs großen Sozialverbände in München. Mit der Federführung der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (Arge Freie) erhält die 39-jährige Abteilungsleiterin der Inneren Mission großen Einfluss auf die Münchner Sozialpolitik. Betz ist seit knapp vier Jahren bei der Inneren Mission Migrationsexpertin und spricht künftig für sechs Spitzenverbände, die in München etwa 1200 Einrichtungen und Projekte betreiben und 12 600 Menschen beschäftigen - fast viermal so viele wie das städtische Sozialreferat.

Der derzeitige Spitzenmann der Arbeitsgemeinschaft, Günther Bauer, hat die Sozialexpertin gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen nun zu seiner Nachfolgerin bestimmt und die Chefs der anderen Sozialverbände über diesen Schritt informiert. Bauer ist seit einem Vierteljahrhundert Vorstand der Inneren Mission in München und hat seit Januar 2018 offiziell für drei Jahre die Federführung der sechs Spitzenverbände in München inne. Ursprünglich wollte Bauer seine Ämter als Sprecher der Arge und als Vorstand der Inneren Mission bis Ende 2020 und damit über den Eintritt ins Rentenalter hinaus ausüben. Doch nun hat er intern überraschend angekündigt, doch regulär im kommenden Februar in den Ruhestand zu gehen. "Er geht nun mit Erreichen der Altersgrenze", sagt Missionssprecher Klaus Honigschnabel. Bauer selbst äußert sich zu dem Wechsel nicht.

Seinen Nachfolger bei der Inneren Mission kann Bauer natürlich nicht bestimmen. Doch mit der Ernennung von Andrea Betz als Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft bis Ende 2020 setzt der 65-Jährige ein deutliches Signal. Kenner der sozialpolitischen Szene in München werten Betz' Ernennung als Zeichen, dass er sich die Migrationsexpertin auch als seine Nachfolgerin im Vorstand der Inneren Mission wünscht. Er habe von dem Gerücht gehört, dass Betz neue Sprecherin der Arge werde, sagt der sozialpolitische Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion, Christian Müller. Eine Bewertung des ungewöhnlichen Vorgangs will er jedoch nicht abgeben. Üblicherweise stellen die Chefs der Sozialverbände die Sprecher.

Seit Bauers Amtsantritt 1994 wuchs die Innere Mission von einigen Hundert Beschäftigten zu einem großen Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern und etwa ebenso vielen Ehrenamtlichen. Trotz seiner erfolgreichen Arbeit als Chef des Wohlfahrtsverbands hat Bauer aber offenbar nur wenig Einfluss darauf, wer sein Nachfolger bei der Inneren Mission wird. Die Federführung der Arge jedoch hat der Theologe als Vorsitzender der Inneren Mission turnusmäßig für drei Jahre übernommen und kann deshalb dort auch intern seine Nachfolge bestimmen. Andrea Betz wird das Amt also von Oktober dieses Jahres bis Ende 2020 ausüben, danach übernimmt die Arbeiterwohlfahrt (Awo) für drei Jahre die Spitzenposition der Verbände. Dazu gehören neben der Inneren Mission und der Awo auch der Münchner Kreisverband des Roten Kreuzes, der Caritasverband der Erzdiözese, die Israelitische Kultusgemeinde und der Paritätische Wohlfahrtsverband.

Karin Majewski, Geschäftsführerin des Paritätischen in Oberbayern und Ansprechpartnerin für 470 Mitgliedsorganisationen, begrüßt die Entscheidung Bauers, Betz als Sprecherin der Wohlfahrtsverbände zu installieren. "Sie ist eine sehr kompetente Kollegin und sozialpolitisch sehr fit - das ist eine sehr gute Wahl." Auch dass nun eine Frau diesen bedeutenden Posten in der noch stark von Männern dominierten Landschaft der Sozialverbände übernimmt, hält Majewski für ein wichtiges Signal.

In der sozialpolitischen Szene wird Betz' Ernennung positiv überrascht aufgenommen. Zumal da der Wechsel mitten in den Münchner Kommunalwahlkampf fällt. Betz kann dort also Akzente setzen. Als Expertin für Migration dürfte sie auch dieses Thema ansprechen und an die Politik entsprechende Forderungen stellen. Katrin Habenschaden, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, freut sich, dass Betz nun zumindest bis Ende 2020 Einfluss auf die Sozialpolitik nehmen könne. "Sie ist wahnsinnig engagiert und kompetent, ich schätze sie", sagt Habenschaden. Ihr imponiere es, dass sie "für die sozialen Themen in der Stadt brennt".

Die parteifreie Andrea Betz engagiert sich auch neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit in der Sozialpolitik. So ist sie unter anderem im Vorstand des Sozialpolitischen Forums, in dem regelmäßig über aktuelle Münchner Themen diskutiert wird. Vor ihrer derzeitigen Aufgabe als Leiterin der Abteilung für Hilfen für Flüchtlinge, Migration und Integration war sie bei der Inneren Mission bereits Bereichsleiterin für Frauen und Familie sowie Leiterin der stationären Altenhilfeeinrichtungen bei der Caritas. An der Hochschule München ist sie Lehrbeauftragte für Soziale Arbeit.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2019
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