Urteil:"Andere zerbrechen an so einer Sache"

Lesezeit: 3 min

  • Der ehemalige IT-Berater Daniel P. hat seine Ex-Freundin beleidigt, geschlagen und ihr monatelang nachgestellt.
  • Der 43-Jährige hat sie mit Anrufen, Mails und Textnachrichten terrorisiert und sie in ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld zu diskreditieren versucht.
  • Das Amtsgericht hat ihn dafür zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

Daniel P. rutscht auf der Anklagebank einen Sitz nach rechts, dann beugt er sich nach vorne. Die Anwältin neben ihm versperrt ihm die Sicht, nicht ohne Grund. Sie sitzt dort als eine Art Sichtschutz. An ihr vorbei versucht der 43-Jährige dennoch einen Blick auf die Zeugin zu erhaschen: seine Ex-Freundin, der er monatelang nachstellte; die er mit Hunderten von Anrufen, Mails und Textnachrichten terrorisierte; die er in ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld zu diskreditieren versuchte; die er beleidigte und die er schlug.

Das Amtsgericht hat den ehemaligen IT-Berater dafür zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. "Ich halte ihn für gefährlich", hatte die Nebenklage-Anwältin Antje Brandes in ihrem Plädoyer gesagt. "Er zeigt keine Reue, keine Einsicht." Sie hätte eine psychiatrische Begutachtung für notwendig erachtet.

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Daniel P. hat die Hände auf den Bauch gelegt. Sein Bart ist ergraut, er trägt Cordhosen und zuweilen tippelt er nervös mit einem Fuß auf den Boden. Nach der Hauptschule lernte er Automechaniker, irgendwann legte er Platten in Clubs auf und machte alles mögliche, vom Kundenberater bis zum Projektmanagement - bis in den Burnout. Mit Sabine L., seiner einstigen Freundin (Name geändert), gründete er einen Musikverlag und verlegte digitale Audios - bis die Beziehung scheiterte.

Es war nicht das erste Mal, dass er nach der Trennung vor Gericht stand. Er verstieß wiederholt gegen die Gewaltschutzverordnung, saß acht Monate in Untersuchungshaft und kam im November 2019 gegen 5000 Euro Kaution wieder frei. Nun sei er nicht mehr in der Lage zu arbeiten, schilderte Daniel P. Er habe sich einer christlichen Gruppe angeschlossen. Eine Vertraute dort wolle ihn überreden, eine Traumatherapie anzufangen.

Die Richterin hielt ihm die Lage seiner 31-jährigen Ex-Freundin vor Augen: "Sie haben Glück, dass sie eine starke Persönlichkeit ist, andere zerbrechen an so einer Sache", sagte sie bei der Urteilsverkündung. P. hatte sie 2017 in einem Nachtclub in München kennengelernt, wo sie als DJane auflegte. "Es war anfangs unglaublich intensiv, er hatte eine charmante Art", erzählt die Uni-Mitarbeiterin, die gerade ihre Doktorarbeit schreibt. Sie nennt Daniel P. nicht beim Namen, sagt "der Angeklagte". Er habe sie manipuliert, "es passierten komische Dinge", sie bemerkte, dass er log. Er sagte, dass er verheiratet, seine Frau aber ausgezogen sei. Dann meldete sich eine andere Frau, die angab, ebenfalls seine Freundin zu sein. Am 25. November zog Sabine L. einen Schlussstrich.

Im Treppenhaus habe er ihr die Lippe blutig geschlagen

Zwei Wochen später lauerte er ihr in der Dunkelheit vor der Wohnungstüre auf und versperrte ihr bedrohlich den Weg. Um ihn aus der Wohnung zu bekommen, musste sie nachts einen Freund anrufen, der ihn schließlich beruhigte. Als sie ein klärendes Gespräch führen wollte, habe er sie in der Wohnung eingesperrt und ihr, als ihr die Flucht gelang, im Treppenhaus die Lippe blutig geschlagen. Was folgte, bezeichnet das Opfer als "Riesenterror". P. habe sie gestalkt, in den sozialen Medien, unter ihrem DJane-Account und ihrer Uni-Adresse. Er ließ sich aus über angebliche sexuelle Vorlieben, behauptete, dass sie auf harten Drogen sei und er sich Sorgen mache. Er rief sogar ihren Vater an, von "50 Nachrichten in zwei Stunden" erzählt der. Unter immer neuen Mail-Adressen und mit ausländischen IP-Nummern, die er über das Internet generierte, stalkte P. seine Ex-Freundin und ihr Umfeld. Am Ende sah sich die Doktorandin gezwungen, ihrem Doktorvater unter Tränen zu erklären, dass sie gestalkt werde. Sie hatte Angst, dass seine Lügen ihr beruflich schaden würden.

Die 31-Jährige stellte ihr Leben um, versuchte den Nachstellungen zu entgehen. "Es hat mir stark zugesetzt, es braucht viel Energie, dagegen anzukämpfen", sagt sie vor Gericht. Gleichzeitig wollte sie ihr Leben möglichst wenig einschränken, "ich wollte mich nicht wie ein Opfer zeigen". Daniel L. räumte die Beleidigungen ein und entschuldigte sich; die Körperverletzung bestritt er. Seine Verteidiger Eva Loy-Birzer und Patrick Ottmann sprachen von einer "Beziehungsauseinandersetzung" und meinten, P. habe sich auch aus ihrer Sicht nur Sorgen um seine Ex gemacht.

Das Gericht war da ganz anderer Meinung und verurteilte ihn wegen Hausfriedensbruchs, Körperverletzung, Nachstellung, Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz sowie Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe. Er muss auch die Verfahrenskosten für Sabine L. begleichen - und darf sich für eine Bewährungszeit von drei Jahren weder ihr noch ihrem nahen Umfeld in jedweder Form nähern.

© SZ vom 04.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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