„Der Druck war einfach immens“, sagt Sebastian D. Er wollte den Laden mit seinen gut 100 Mitarbeitern, die Pakete für Amazon auslieferten, am Laufen halten. Und so fälschte er einen Vertrag, damit der Autovermieter Sixt ihm die entsprechenden Lieferfahrzeuge bereitstellte. Der Schaden, der Sixt dadurch entstand, beläuft sich auf mehr als 350 000 Euro. Amtsrichterin Laura Fischer ließ dennoch Milde walten mit dem 32-jährigen Angeklagten: Sie verurteilte ihn wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren – und setzte die Strafe zur Bewährung aus. „Die Geschädigten haben nichts davon, wenn Sie im Gefängnis sitzen und nichts zurückzahlen können“, erklärte sie.
Sebastian D. ist gelernter Kaufmann und hatte sich schon früh selbständig gemacht. Er firmierte als Geschäftsführer einer Logistik GmbH und war im Speditions- und Lagerbereich unterwegs. Gleichzeitig hatte er 2019 einen Vertrag mit Amazon geschlossen. An fünf Standorten in ganz Deutschland hielt er Autos sowie Fahrer vor, die für den Versandriesen Pakete auslieferten. Die Transporter mietete Sebastian D. bei Sixt. Dort legte er auch seinen Vertrag mit Amazon vor. Immer kurz vor Weihnachten, so erklärt D. vor Gericht, sollten Autos sowie Mitarbeiter für das ganz große Geschäft um 30 Prozent aufgestockt werden.
Ende 2020, so sagt es Sebastian D., habe ihm sein Steuerberater den Rat gegeben, eine zweite GmbH zu gründen. Denn D. musste für seine riesige Lagerhalle im bayerischen Oberland eine Versicherung abschließen. „Und die Versicherungssumme hat sich an den Gesamteinnahmen orientiert“, berichtet er. Da er allein mit Amazon 18 Millionen Euro Umsatz im Jahr machte, beschloss er, das Amazon-Geschäft in eine zweite GmbH auszulagern.
Allerdings hätte Sixt einem frisch gegründeten Unternehmen nicht einfach so 160 Transporter überlassen. Also fälschte Sebastian D. einen Vertrag und gab vor, dass seine neue Firma diesen Kontrakt mit Amazon habe. Ergo wäre die Firma „flüssig“ und könne die Fahrzeugmieten bezahlen. „Ich habe es mir schöngeredet“, sagt Sebastian D. vor Gericht, „wohl war mir dabei nicht.“
Womit der Unternehmer damals nicht gerechnet hatte: Das Weihnachtsgeschäft wurde zum Reinfall: „Amazon stellte wesentlich mehr Subunternehmer ein, wir hatten nicht einmal die Hälfte der prognostizierten Aufträge.“ Sebastian D. war nicht in der Lage, die geforderte Summe von mehr als 180 000 Euro für die Mietfahrzeuge zu bezahlen, ebenso wenig die Rechnung von Sixt über die Schäden an den Transportern in Höhe von gut 170 000 Euro. Insgesamt blieb Sixt auf einem Schaden von 353 219,19 Euro sitzen. Im März 2021 stellte Sebastian D. für die Paketdienst-Firma Insolvenzantrag, wenig später auch für die Logistik GmbH.
„Ich habe meine private Altersvorsorge aufgelöst, ebenso die Sparbücher, die ich für meine Kinder angelegt hatte“, berichtet er im Gerichtssaal. Über die Familie könne er noch Geld auftreiben und so 150 000 Euro sofort zurückzahlen. „Er möchte sich der Verantwortung stellen“, sagt sein Verteidiger Alexander Eckstein.
Das honorieren am Ende auch Staatsanwaltschaft und Gericht. Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Nach einem Deal zwischen den Prozessbeteiligten hatte D. gestanden und dadurch allen eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart. „Sie standen unter massivem Druck“, sagt auch Richterin Fischer. Eine niedrigere Strafe sei aber „aufgrund des Schadens“ nicht infrage gekommen.